Gut Ding braucht Weile. Das ist nicht nur eine bekannte Phrase, sondern in vielen Angelegenheiten gewiss auch eine Tatsache. So verhielt es sich auch mit dem bisher wohl mächtigsten Werk in 19 Jahren Bandgeschichte der Altmärker Nobody Knows. Eine Band, die auf nunmehr 13 Alben und unzählige Konzerte im ganzen Land zurückblicken kann.
,,Ja, sehr gern! Gemachte Erinnerungen.“ heißt das neuste Werk in Lederoptik. Optional als CD oder CD & DVD ist der Silberling also nicht nur zum Hören, sondern auch zum Angucken. Die Besonderheit des Ganzen – es handelt sich um eine Live Aufnahme, und zwar keine einfache. Für dieses Werk arbeiteten die Musiker von Nobody Knows mit dem Sinn-Phonie-Orchester der Musikschule Stendal und dem Chor der Altmark zusammen.
Ein Mummutprojekt wie dieses involvierte viele Menschen. Das bedeutete Proben, Proben, Proben. Viele Stunden, die Band sowie Musikschüler in die Ausarbeitung der Stücke steckten, um das Ergebnis am Ende an zwei ausverkauften Abenden präsentieren zu können. Doch das Musikschulorchester spielte in diesem Werk eine viel größere Rolle, als auf den ersten Blick erkennbar ist.
Doch erstmal zur Musik!
Das Releasekonzert
Das Releasekonzert fand am 7. Juni des letzten Jahres in Schulzens Brauerei in Tangermünde statt, nur zwei Jahre zuvor wurde am selben Ort das fünfzehnjährige Bestehen der Band gefeiert.
In beinahe schon familiärer und dennoch großer Runde von fast 900 Gästen, spielten die Musiker bekannte Titel und sorgten für ein grandioses Release. Der Konzertabend war, wie von der Band zu erwarten, eine starke Mixtur aus reichlich Schabernack in Form von Konfetti und Deodorant-Pyro, aber auch sehr rührenden Momenten als beispielsweise Max Vater und ehemaliges Mitglied der Band Ronny Heckel mit auf die Bühne kam. Ein Sommerabend, der einigen gewiss in Erinnerung geblieben ist und noch lange wird.
Die CD
Wer glaubt, er hätte die Texte von Nobody Knows schon in den verschiedensten Versionen gehört, der darf sich bei den 19 Titeln ebenso oft neu überraschen lassen.
Die ersten 7 Titel, einschließlich des Hits ,,Po‚‚ sind von Band und Orchester gespielt. Ein mächtiges Ding. Schnell wird klar: Das Orchester gibt den Liedern der Ältmärker wahnsinnig viel Wirkungskraft und Raum. Die Arrangements sind fein, verspielt und im Gesamtbild schlichtweg genial.
Ab dem Klassiker ,,Der Mond ist aufgegangen“ ist für einige Titel der Chor zu hören, dessen Einlagen das ein oder andere Mal für Gänsehautmomente sorgt, so vor allem in ,,Augen in der Großstadt“. Viele Passagen der Damen und Herren des Chors sind jedoch humoriger Natur und lassen des Öfteren auch Schmunzeln.
Nebst Gänsehaut und Humor lässt sich viel auf der Platte finden. Darunter auch das aus dem Kurt Tucholsky Programm entsprungene Stück ,,Drei Minuten Gehör“, es sorgt genau dafür – Drei Minuten Gehör, Aufmerksamkeit und Nachfühlen.
Frontmann Max Heckel stellt auch in diesem Werk seine Stimmvielfalt unter Beweis. Egal ob im Metal Part von ,,Fünfter Streich“ oder souverän melodisch im Folgetitel ,,Es dunkel schon in der Heide“, von Schleifpapier bis Honig klingt alles gefällig.
Viel geliebte Titel wie ,,Wünsch dir noch was.“ gewinnen wahnsinnig von der Untermalung des Orchesters und sind schlichtweg schön. Ähnlich geht es ,,Es waren drei Gesellen“ einem Stück, das von einem wahnsinnig guten musikalischen Spannungsbogen profitiert. Trotz der Länge des Silberlings kommt keine Langweile auf. Sogar gen Ende der CD überraschen Titel noch, so unter anderem der Auftritt von Gastmusikerin Helga Leopold.
Natürlich sind Patzer bei einer Aufnahme dieser Größe inbegriffen, allerdings fallen die meisten kaum auf und sind definitiv verzeihlich. Es ist erlebtes, vertrautes und zugleich ein herrlich erfrischender Mix aus verschiedensten Titeln der langen Bandgeschichte. Egal ob Eigenwerk oder Klassiker, alles erklingt hier in stilistisch gut ausgearbeitet. Mit dem ,,Heidenröslein“ klingt das Sammelwerk der Altmärker aus und entlässt den Hörer mit gemischten Gefühlen.
Eindrücke
So war ein von mir unterschätzter Effekt beispielsweise die Tatsache, dass es sich hierbei um einen Live-Mitschnitt handelt. Wahnsinnig schnell kommen dabei Erinnerungen an viele vergangene Konzertabende hoch, egal ob in kleinen Hinterhöfen oder vor großen Bühnen in einem riesigen Pulk aus tanzenden Menschen.
Doch wer hätte gedacht, dass es schön sein kann in Melancholie zu ertrinken?
Weiter bemerkt der Hörer: Das Auditorium kennt die Texte, denn ganz selbstverständlich werden Passagen mitgesungen und sofort reagiert, wenn es darauf ankommt. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist beinahe hörbar.
…Und Stillstehen ist bei dieser CD praktisch unmöglich.
DVD
Das Theater der Altmark ist voll. Hinter den Musikern von Nobody Knows hat sich das Sinn-Phonie-Orchester Stendal mit einer Vielzahl Instrumenten eingerichtet. Dahinter, erhöht, findet der Chor der Altmark für einige gemeinsame Lieder Platz. Wenn man einmal bedenkt, wie viele Musiker auf der Bühne Platz finden, wird wieder auf einmal klar, wie groß dieses Projekt eigentlich ist.
Charmant, authentisch & lebendig
Indes viele große Bands auf Effekte, wie beispielsweise Pyrotechnik, in großen DVD Produktionen setzen, hält dieser Zusammenschluss von Musikern es einfach, aber genial: Schon mal ein Orchester leidenschaftlich zu Texten von Wilhelm Busch (Fünfter Streich) Headbangen sehen? Und ob dieser wohl jemals geahnt hätte, dass sein Schaffen eines Tages ein Bindeglied zwischen verschiedenen Generationen von Musikern sein würde?
Nun, eine dieser Fragen lässt sich beim Anschauen der DVD definitiv beantworten.
Wer die Konzerte von Nobody Knows besucht, weiß nicht nur, es ist passiert nie das Gleiche, sondern kennt auch den Charme, den Witz und die Authentizität der Musiker zusammen mit der Leidenschaft für das was sie machen. Die DVD gibt genau dies wieder. Sie zeigt herrlich ehrliche Aufnahmen, Interaktion mit dem Publikum und hält das fest, was viele so begeistert. Ein Werk voll Können, Quatsch und Leidenschaft.
Ein gelungenes Beispiel ist hier ,,Der Frosch“:
Das Booklet
Normalerweise ist das Booklet bei Rezensionen nicht der Rede wert und wenn dem so ist, kann man dies oft in einigen Randbemerkungen umsetzen. Nun, die DVD/CD von ,,Ja, sehr gern.“ kommt aber nicht einfach mit einem gewöhnlichen Booklet von 5 bis 7 Seiten, sondern geschlagenen 48 an der Zahl.
Wer mit einer derartigen Masse aufwartet, der hat auch etwas zu sagen und tatsächlich finden sich hier nicht nur die Lyrics zu den 19 Titeln des Werkes, sondern viele kleine, liebevolle Überraschungen für den Neugierigen. Um einen Überblick zu gewähren haben wir nicht nur hineingeschaut, sondern auch nachgezählt. Neben 23 Farbbildern vom Abend der Liveaufnahme, finden sich auch mehr als 30 Zitate, Aphorismen und Kurzgedichte bekannter und vertonter Dichter und Denker, welche das Programm der Band seit den Jahren der Gründung unter anderen stark formten. Darunter selbstverständlich Wilhelm Busch, Kurt Tucholsky und viele weitere. Diese sind humorvoll, politisch und nachdenklich. Auf grafischen Zettelchen oder als Randnotizen, neben oder zwischen die Texte der Band geschrieben, kann man diese zusammen mit unzähligen und niedlichen Kritzeleien entdecken.
So wirkt das Booklet dank der Bilder, den Zitaten, Randnotizen und Skizzen tatsächlich wie ein geliebtes und gelebtes Album aus Erinnerungen und macht dem Namen nicht nur dank all der Titel vergangener Zeiten alle Ehre.
Die Dokumentation & der rote Faden
Die zwanzigminütige Dokumentation der DVD lässt nicht nur Einblicke hinter die Kulissen gewähren, sondern gibt auch Aufschluss über den von der Zeit gesponnen roten Faden aus Freundschaften und Zusammenarbeit mit Chor und Orchester im Zusammenhang dieses Projektes.
Was für Max Heckel 2001 im Wohnzimmer zusammen mit Dietrich Eichenberg begann, der gemeinsam mit ihm das Musikschulorchester Stendal besuchte, war der Anfang der langen Reise für Nobody Knows. Doch nicht nur die Freundschaft und Zusammenarbeit von Heckel und Eichenberg begann zu Schulzeiten. Auch Sebastian Socha, der mittlerweile das Orchester leitet, welches die drei damals zusammenbrachte, ist ein alter Freund und Weggefährte. Der Leiter des Theater-Chors, Robert Grzywotz, war ebenfalls Schüler der Musikschule. Ebenso Wegbegleiter wie Mohi Buschendorf, in dessen Waldhausstudio schon viele Titel entstanden sind, begleitete die Musiker an den Abenden der Aufnahme.
Doch zu den maßgeblich prägendsten Personen, die im Orchester sitzen, gehört Zwetanka Sterionowa. Die Geigenlehrerin der Musikschule begleitete Heckel 14 Jahre lang und unterrichtete (kürzlich in Rente gegangen) ebenso Max Tochter Lilly.
Es wird deutlich: Die Wurzeln und Verflechtungen dieser Verbindungen reichen tief, daher verweisen wir Neugierige gern auf ein Interview mit Max Heckel, in dem wir nach dem Hintergrund und der Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes fragten.
Was am Ende noch zu sagen bleibt
Wie unschwer zu erkennen, handelt es sich bei ,,Ja, sehr gern! Gemachte Erinnerungen“ nicht nur um ein großes Stück Geschichte der Band, sondern auch um eine Hommage für Wegbegleiter und Wegbereiter. Menschen, welche die Musiker prägten und Wege, die sich kreuzten und bis heute zusammen gegangen werden.
Und auch wenn Max Heckel in den ersten Zeilen, des Booklets schreibt, dass er dieses Projekt wahrscheinlich nicht angegangen wäre, wenn er um Größe und Aufwand gewusst hätte, sind wir am Ende dieses Werkes froh, dass es da ist.
Eine Flutwelle aus Melancholie, Erinnerungen an Erlebtes und ein wunderschöner Beweis, dass Musik und Musiker sich über einen langen Zeitraum nicht nur treu bleiben können, sondern auch miteinander und aneinander wachsen. Ein generationsübergreifendes Projekt voller Respekt, Dankbarkeit und dem gemeinsamen Wunsch etwas zu Schaffen.
Wer dieses Werk sein Eigen nennen möchte oder die Jungs von Nobody Knows noch nicht live erlebt hat der findet die wichtigsten Anlaufstellen hier:
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Titelliste
01. Bürgerlied
02. Der Frosch
03. Schüttel dich
04. Po
05. Eigentlich nicht viel zu sagen
06. Fünfter Streich
07. Es dunkelt schon in der Heide
08. Der Mond ist aufgegangen
09. Nummer zwei
10. Augen in der Großstadt
11. Klugscheißerlied
12. Drei Minuten Gehör
13. Wünsch dir noch was
14. Hans, bleib da
15. Sommerhitze
16. Es waren drei Gesellen
17. Erlenkönig
18. Tandaradei
19. Heidenröslein
20. Die Dokumentation (DVD)