Um vorzugreifen: Eine CD ist ein Speichermedium. Eine Musik-CD ist ein Speichermedium für Musik. Wer wirkt auf einer solchen? Musiker. Wenn ebendiese Musiker ihr Leben mit der Musik finanzieren, darf man behaupten, dass der Job dieser Musiker die Musik ist. Aber darf unterstellt werden, dass diese Musiker etwas zu berichten haben? Dass sie das Speichermedium nicht nur mit Tönen und Texten befüllen, sondern dass sie einen Bezug zu den sogenannten Inhalten haben? Diese Besprechung ist nicht mehr und nicht weniger als die grundsätzliche Frage: Wie sinnvoll sind drei Musketiere, die von ihrem Leben berichten? Denn immerhin: Texte und Komposition stammen, obgleich bei Sony verpflichtet, zu weiten Teilen aus den eigenen Federn.
In jener Nacht, der Namensgeber des 14 Titel fassenden Albums, eröffnet eine Dreiviertelstunde Musketier-Rock. Melodiös orientiert der sich der eingangs an „Weil ich dich liebe“ von Marius Müller-Westernhagen. Aber beide Titel haben inhaltlich auch etwas mit der Nachtzeit zu tun – warum also nicht einfach mal auf Bestehendes zufällig zurückgreifen? Wie auch bei Feuerschwanz ist der Sangesduktus sehr, sehr gewichtig. Denn was mitzuteilen ist, hat Gewicht. Was immer das auch sein soll. Denn „wir haben geweint, wir haben gelacht, / bis der Tag erwacht.“ Und das alles „in jener Nacht“: „Da waren wir unsterblich“, „rissen Bäume aus“, „schrieben wir Geschichte“ und „gingen Pferde stehlen“.
Es ist mitnichten so, dass ich übermäßigen Metgenuss für einen sinnvollen oder gar geistbelebenden Zeitvertreib halte, aber es ist ein grundsätzlich möglicher. Weil aber ein Musketier-Rocker ein Musiker ist, der auch eine brüderliche Waffenverpflichtung kultiviert, können die Herren nicht nur singen, sondern auch gleichzeitig das hehre Ziel der Unsterblichkeit wollen. Da klang schon bei Achilles gut: „Ich will, was alle Männer wollen, nur will ich es noch mehr: Unsterblichkeit.“ Mit E-Gitarre, Pistole und Degen kann man das getrost auf mehreren Ebenen kultivieren.
Und so klingt in jener Nacht auch ein bisschen nach Identitätsrock der Kumpeltypen von nebenan. Wer kennt das nicht? Skateboard raus, Muskete in die Unterhose gesteckt und dann einfach mal Geschichte schreiben? Aber weiter geht’s mit Flucht nach vorn. „Was zählt schon die Freiheit, wenn man sie nicht verdient? / Wie weit geht ein Mann, wenn er alles riskiert?“ Das sind die Fragen eines Alltagsbürgers im Jahr 2019. Gleich nach „hat Kaufland heute bis 22 Uhr auf“ und „warum ist Club Mate denn jetzt schon wieder 5 Cent teurer“. „Bis an die Tore der Hölle und darüber hinaus“ – wo ist das eigentlich? Wer wohnt hinter Lucifer? Aber ist ja alles metaphorisch.
Und so offenbaren die drei Herren eine Dreiviertelstunde Text und Musik. Letztere ist irgendwo zwischen Rock-Elementen, zeitgemäßen Helene-Fischer-Arrangements und gewichtigem Sangesduktus zu verorten. Nicht ungefällig. Ein wenig „Folk“ wie bei Santiano, „ohhhhh“-Mitmachelemente wie die mit Geweih versehenen Identitätsrocker und „lalalala“ beim Rolandslied.
Wie sinnvoll sind drei Musketiere, die mit E-Gitarren von ihrem Leben berichten? Bösartige Hater mögen behaupten, dass Musik primär Musik und nicht Inszenierung sein sollte, aber erlaubt ist, was gefällt. „In jener Nacht“ ist gefällig. Und beliebig. Aber „ein bisschen Spaß muss sein“. Und wenn viele Menschen, sich mit Musketier-Inhalten identifizieren können, dann muss das auch sein! Helau!
Titelliste
- In jener Nacht
- Flucht nach vorn
- Chanson de Roland
- Einer für alle für ein‘
- Pech oder Glück
- Endlich frei
- Entfachte Feuer
- Wir haben nichts
- Drei Nymphen
- Sprengt die Ketten
- Strafe muss sein
- Sing mir ein Lied (Skye Boat Sing) feat. The Dark Tenor
- Die Welt in der wir leben
- Wallenstein