Am 24. August dieses Jahres ist nunmehr achte Studio-Album von CLUESO veröffentlicht worden. 18 Titel enthält „Handgepäck I“ und offenbart – seinem Namen nach –, dass nach dieser Reise eine weitere folgen wird. 54 Minuten währt die musikalische Reise: „die ergreifendste und intensivste Musik, die er bislang veröffentlicht hat“ – so jedenfalls das erklärende Schreiben zum Silberling.
Aufbruch eröffnet das Album. Mit sphärisch in die Ferne diffundierenden Klängen. Ein wenig wie der Soundtrack von „Die Reise des jungen Che“, dabei aber etwas weniger substantiell. „Handgepäck I“ schleicht sich ein. Nicht aufregend. Aber passend. Wie versprochen sehnsüchtelt anschließend mit stählernen Gitarren-Pick und leidenschaftlich-pathetischem Cello. CLUESO „zählt bis Hundert mit einer Hand“ und „man kann die Welt da unten nur erahnen“. Und während der Erfurter noch „da oben steht“, kultiviert das Album, was den junge Charismaten groß gemacht hat: subjektive Eindrücke, die gemeinhin von jedermann und niemandem geteilt werden können. Wohlgefällig geht es derart durch die Strophen. CLUESO singt seine eigene zweite Stimme – von fernher, um sich selbst nicht ins Gehege zu kommen.
Und wie man eben „bis Hundert mit einer Hand zählen“ kann, so erlebt man im nächsten Titel, wie das lyrische Ich „vier Jahreszeiten an einem Tag“ durchlebt. Nimmt man den Text ernst und lässt sich gleichzeitig nicht von wohlklingenden und eventuell inhaltsleeren Phrasen umgarnen, bleibt auch bei diesem Album die Frage nach dem Sinn des Besungenen. Muss Text derartiges leisten? Muss er nicht. Wäre aber nicht verkehrt. Und wenn sich ein Publikum mit Musik identifizieren mag, so darf danach gesucht werden, wo die gemeinsame Schnittmenge zwischen absoluten Subjektivismen des Autors und der Lebenswelt der Hörenden ist. Viel zu speziell scheinen mir die illustren Verse, um mich darin wiederzuentdecken. Das mag anderen möglich sein, aber vielleicht ist genaues und hinhörendes Verstehen auch gar nicht notwendig.
Popesk und wundervoll eingängig präsentiert CLUESO seine Reise. Du und ich klingt ein bisschen nach Reggae, etabliert feine Brass-Sounds und passiert nie den Grat zu inhaltlich-ästhetischen Dissonanz. Das geht ins Ohr. Und bleibt da. Es ist nichts Neues, was aufgetischt wird. Vielleicht ist es die „intensivste Musik“ eines meiner Helden aus früheren Tagen. Éric-Emmanuel Schmitt beschreibt in seinem „Enigma“, was CLUESO perfektioniert hat: Den Eindruck zu haben, das musikalische Motiv doch schon einmal gehört zu haben. Es wirkt sehnsuchtsvoll nach. Ist nicht greifbar.
Und so bleibt „Handgepäck I“ ein inhaltlich diffuses Werk. Musikalisch wie textlich beschleicht den Hörer immer wieder der Eindruck, das Ganze schon mal gehört zu haben. Das macht es nicht gut. Nicht schlecht. Vielleicht ein bisschen beliebig. Aber irgendwie auch wundervoll. Wundervoll. Beliebig.
Titelliste
- Aufbruch
- Wie versprochen
- Vier Jahreszeiten an einem Tag
- Waldrandlichter
- Stein
- Einfache Fahrt
- Zwischenstopp
- Du und ich
- Wenn ein Mensch lebt
- Wüste
- Landstreicher
- Zimmer 102
- Kurz vor Abflug
- Auf Kredit
- Es ist schon spät
- Dünnes Eis
- Morgen ist der Winter vorbei
- Paris