Seitdem das antike und Heraklit zugeschriebene „panta rhei“ zur Phrase à la „carpe diem“ verkommen ist, mag man die zum (Wand)-Tattoo verkommene Phrase beinahe nicht mehr auf den Plan rufen. „Alles fließt“ – ja, und? Nico Rivers hat mit seiner Band einen Zehntitler in 37 Minuten veröffentlicht. Sein „Tiny Death“ ist genau dieser Auffassung verschrieben: „Die einzige Konstante des Universums ist der Wandel. Alles was war und alles was ist, wird eines Tages etwas anderes sein.“, so der Bostoner.
In der Beschreibung heißt es zudem: „Der Albumtitel beschreibt die eigene Unbedeutsamkeit und Vergänglichkeit in Relation zum gesamtem Universum.“ Und neuerlich: Ja, und? Ich muss nicht gleich das Universum auf den Plan rufen, um die Erkenntnis zu gewinnen, dass meine Existenz temporal wie auch kausal ein Fliegenschiss ist. Und dennoch: Jedem ist der eigene Schiss ebenso bedeutsam wie ein ganzes Universum. Und das ist gut so. Nach dieser grundlegenden Kritik am aufgeblähten inhaltlichen Anspruch zum Eigentlichen: zur Musik.
Mit Schlagzeug, E-Bass, (E-)Gitarren, diversen Synthesizer- und Keys-Effekten und vielstimmigen Gesängen gibt „Tiny Death“ den Ton an. Nicht spektakulär in der Aufstellung, aber in der Inszenierung. Tidal Wave eröffnet psychodelisch und nimmt sich – ganz in der Tradition altbewährten Rocks – die Zeit, Wirkung nicht forcieren zu müssen. Umso eindringlicher ist das rhythmische Steigern in Bass, Schlagzeug und Perkussion. Dazu die Stimme Rivers, die von angemessener Eindringlichkeit zeugt, ehe der Titel nach anderthalb Minuten explodiert. Von wuchtigen Riffs getragen muss der Gesang keine gesteigerte Expressivität anlegen, um seine Eindringlichkeit zu wahren. Eine gleichermaßen überraschende wie eingänge Symbiose von Selbstverständlichkeit und Drängen. Devil’s Boots hingegen präsentiert sich leichtfertig unbeschwert. Beinahe folkloristisch. Und kontrastiert seinen Vorgänger. All the Same – mit und insbesondere durch den schluchzenden Einsatz der Geige – sehnsüchtelt unbeschwert von Strophe zu Strophe. Und klingt dabei wie subtile Sehnsucht. Ein bannender und ohrwurmender Beitrag.
„Tiny Death“ gelingt es, emotional wie stilistisch vollkommen unterschiedlich geartete Titel zu einem schlüssigen Ganzen zu wirken. Wo eben noch Eingängigkeit herrschte, brechen im nächsten Moment Dissonanzen. In seiner Wirkung bleibt das Album trotz aller Kunstfertigkeit jedoch vollkommen unangestrengt. Und wo sich Kunstfertigkeiten unauffällig Bahn brechen, haben seine Kunstfertigenden beste Arbeit verrichtet.
Titelliste
- Tidal Wave
- Devil’s Boots
- All the Same
- In the Reeds
- Backroads
- Misty Nebraska
- Oildrips
- Unraveling Strand
- Ghosts
- The Wheel