Ihren physisch-medialen Einstand haben HüSCH! mit einem Elftitler gegeben, der unlängst unter dem Namen „Bann dr Morche grauit“ die Ohren der bundesrepublikanischen Musikfreunde eroberte. Das Quartett eröffnet sein Debüt mit Kein schöner Land, dessen erste Strophe von Piano und pop- bzw. jazzesken Gesang getragen wird, ehe die vielbeschworenen Zithern rhythmisierend das akustische Ruder an sich reißen. Die Symbiose unterschiedlichster Genrespezifika, so bspw. die Stimme Hanna Flocks, die melodiös wehmütende Geige Joachim Rosenbrücks unter Hinzugabe der Waldzither von Nico Schneider und Tim Liebert entwirft einen Gesamtklang, der Schubladenfetischisten die rotstiftigen Haare zu Berge stehen lassen wird. Wer sich jedoch nicht als Hüter bornierter Antiquitäten versteht, wird dem Bann der Musik HüSCH!s jedoch nicht entkommen können.
So präsentiert sich das vom Staub der Jahrhunderte überwucherte Es geht ein dunkle Wolk herein nicht nur in diffizilem Arrangement, sondern vielmehr in wohlgefällig, wenngleich melancholischer, Zugänglichkeit, ehe mit „Wenn aaner ins Gebirg rauf kommt“ ein dialektaler Ohrenschmaus verabreicht wird. Dass die drei Herren um die einzige Dame der Formation dabei nicht der sogenannten folkloristischen Humta-Humta-Tradition hochbetagter Blaskapellen-Heimatvereine anheim fallen, ist wohlersonnene Intention ihres musikalischen Schaffens. Das Plakativum, man wolle Altes neuverpacken, gedeiht unter gediegener Finger- und Stimmbandführung zum akustischen Brautstrauß – zur Hommage eines neuen Volksliedselbstverständnisses. Heißt es bei „Erich und das Polk“ noch:
Wie in allen andern Ländern
wird sich daran nichts mehr ändern,
dass man singt sie wie man spricht
und was andres wolln wir nicht.
Dieses Land, wann lieben wir es?
So wie andre Völker ihres?
Nicht wie all die dummen Glatzen
mit den ausgestreckten Tatzen.
Auch nicht wie die andern Alten,
die nur Tradition verwalten.
Wär’s nicht endlich an der Zeit
für die Selbstverständlichkeit?
erfährt dieser Selbstanspruch nun eine neue Umsetzung in HüSCH!-Gewandung. Fernab jedweden Patriotismus-Nonsens‘ findet nun das sogenannte Volksliedgut endlich wieder eine Verwendung, die sowohl der Tradition jedoch insbesondere dem Neuanstrich gerecht wird – und ohne Darf-Man-Das-Gerede der Selbstverständlichkeit frönt. So erklingen vom Unterricht degradierte Weisen wie Über den Berg ebenso eindringlich wie bannend, ehe der grüßende Lenz mit rhythmisch neubeschwingten Fuße durch das Ohr lustwandelt. Ebenso ungebunden wie das Selbstverständnis des Quartetts präsentieren sich auch ihre Interpretationen, die live in ebenso überwältigender Qualität verabreicht werden wie auf dem Silberling:
Hansgörg, wos mach mer heit kultiviert nicht nur quasi-folkloristischen Wiederholungswahn, sondern lässt ebendiesem eine subtile Variationsbandbreite ungeheuerlichen Ausmaßes angedeihen. Das Album endet mit Es war zur Frühjahrschzeit wie es sich für ein großartiges Album gehört: Viel zu schnell. Und gleichwohl Terzen immer helfen, wird mit vielstimmigen Hinzugaben alles andere als gegeizt. „Bann dr Morche grauit“ ist nicht nur ein Debüt feinster Machart, sondern Impulsgeber und hoffentlich das Indiz für ein neues Selbstverständnis deutscher Folklore.
Titelliste
- Kein schöner Land
- Früh bann dr Morche grauit
- Es geht ein dunkle Wolk herein
- Wenn aaner ins Gebirg rauf kommt – Kommt ihr G’spielen
- Über den Berg
- Nun will er Lenz uns grüßen
- Und so nehm ich meine Büchse – Widele Wedele
- Es ist ein Schnitter
- Hansgörg, wos mach mer heit
- Wenn ich ein Vöglein wär – Es flog ein kleines Waldvögelein
- Es war zur Frührjahrschzeit
Eine sehr feine Scheibe! Und zu allerletzt Gesagtes wäre zu wünschen.
In der Tat!