Den St. Patrick’s Day nur am 17. März feiern? Das kann ja jeder. Grund genug für Magnetic Music, jedes Jahr gemeinsam mit außergewöhnlichen MusikerInnen das Irish Heartbeat Festival auf die Beine zu stellen und fast den kompletten März durch Deutschland zu touren.
Klar, der in diesen Tagen obligatorische Corona-Witz musste schon sein: „Heute ist hier die Gefahr, sich mit einem Virus anzustecken, besonders hoch – allerdings nur mit dem Virus der irischen Musik!“, scherzte Géza Frank, Mitglied von Fourth Moon, der das Festival eröffnete. Besonders festlich mit Glitter im Haar und im Gesicht, strahlte er von der Bühne und stimmte das Publikum auf die kommenden drei Stunden des Abends ein.
Schon konnte es losgehen: Mit dem Graínne Holland Trio starteten die Veranstalter mit eher ruhigen Tönen. „Ich freue mich, hier zu sein!“, eröffnet die gebürtige Belfasterin Graínne Holland auf Deutsch ihr Set. Zwischen ihren unter die Haut gehenden Stücken fasst sie deren Inhalte immer wieder kurz auf Englisch zusammen – denn sie singt ausschließlich auf Gälisch. Ihre Texte sind inspiriert vom Leben, von der Liebe, von Trauer, Verlust und der heilenden Kraft der Natur. Dabei gelingt es ihr und ihrer Band, allein durch die bezaubernden Melodien und die Emotionen, die sie durch ihre Stimme ins Publikum transportiert, die Sehnsucht nach der rauen, aber traumhaft schönen irischen Insel zu wecken. Mit Blueselementen und beeindruckenden Gitarrenriffs liefert der Gitarrist des Graínne Holland Trios mit seinem Song Rhythm & Rhyme, den er allen MusikerInnen widmet, einen starken Kontrast. Gemeinsam mit der virtuosen Flötistin unterbrechen die beiden die nachdenklichen Songs von Graínne zwischendurch mit schwungvollen Jigs & Reels. Zum Abschluss ihres Sets präsentiert das Trio dem Publikum noch eines der ergreifenden bekannten irischen Lieder über den Osteraufstand von 1916 auf Englisch und Gälisch.
Nach einer kurzen Pause bereitete sich die zweite Band des Abends auf ihren Auftritt vor: Fourth Moon. Vier Männer aus vier verschiedenen Ländern an vier verschiedenen Instrumenten – vereint in der keltischen Musik! Mit den Einflüssen ihrer Heimatländer Frankreich, Österreich, Italien und Schottland verleihen sie ihren Stücken eine ganz spezielle Note: Jeder Tune ist ein kleines bisschen anders, als man es vielleicht erwarten würde. Ein Instrument übergibt die Melodie an das nächste, bevor alle gemeinsam einstimmen, der perfekte Spannungsaufbau. Fast mit der ersten Note sprang der Funke ins Publikum über, das begeistert klatschte und mit den Füßen wippte. Nach dem ersten instrumentalen Set holte sich Fourth Moon mit Ainsley Hamill stimmgewaltige Verstärkung auf die Bühne. Mit ihrem selbst geschriebenen Song Belle of the ball ehrt sie die Schottin Isabella Moore, die 1912 als jüngste britische Frau im Schwimmen die olympische Goldmedaille gewann – und bescherte ihren ZuhörerInnen absolute Gänsehautmomente. Andrew Waite am Akkordeon, David Lombardi an der Fiddle, Jean Damei an der Gitarre und Géza Frank an den Pipes, Flutes & Whistles fahren ihr ganzes Können auf, spielen wilde Reels, Jigs und Polkas – beim letzten Tuneset ließ sich Ainsley nicht lange bitten und legte einen beeindruckenden Stepptanz aufs Parkett. Tosender Applaus begleitete die fünf MusikerInnen von der Bühne.
Während im Hintergrund der Aufbau für die Headliner vorbereitet wurde, konnten sich die Gäste noch ein Kilkenny gönnen, an den Merch-Ständen Ausschau nach den aktuellen CDs der Künstler halten oder eine der köstlichen irischen Schokoladen probieren. Kurz darauf wurden sie dann bereits angekündigt: The Outside Track! Seit 11 Jahren touren sie immer wieder auch durch Deutschland und liefern professionelle Konzerte ab, die im Gedächtnis bleiben. Auch hier stammen die Musikerinnen aus unterschiedlichsten Orten der Welt: Irland, Schottland und Kanada – und auf dieser Tour mit deutscher Unterstützung an der Gitarre. Bei The Outside Track sitzt jeder Ton. Sofort spürt man, dass die Künstlerinnen schon sehr lange gemeinsam auf der Bühne stehen und sich blind verstehen. Aber das Wichtigste: Man sieht ihnen den Spaß an der Musik an. So strahlen sich Mairi Rankin an der Fiddle, Ailie Robertson an der Harfe, Fiona Black am Akkordeon und die Sängerin Teresa Horgan, die auch an den Flutes zu hören ist, durchgehend an und versprühen einen unbeschreiblichen Charme, dem sich niemand entziehen kann. Auch sie eröffneten ihr Set mit einer Reihe von Tunes, die die Stimmung im Saal noch weiter anheizten. Die bekannte Ballade The Banks of Sweet Dundee von ihrem aktuellen Album Rise up hätte gefühlte 80 Strophen – sie würde aber heute nur 50 davon zum Besten geben, ließ Teresa wissen. Die Leute müssten die schlechten Witze verzeihen, das liege an ihren sehr überschaubaren Deutschkenntnissen. Ob schnell und mitreißend bei den Dark Reels oder ruhig und tief bewegend bei Eleanor Plunkett – die vier fantastischen Musikerinnen und ihr Gastgitarrist erreichen ihre Zuhörer mit jeder einzelnen Note. Zum Ende ihres Sets spielten The Outside Track eine Reihe von Tunes aus Cape Breton, der Heimat der Kanadierin Mairi. Die Geigerin legte dazu nicht nur eine großartige Steppeinlage aufs Parkett, sondern lud das Publikum ein, doch ruhig ihre Mutter auf der Insel zu besuchen.
Zum großen Finale des Irish Heartbeat Festivals versammelten sich noch einmal alle KünstlerInnen des Abends auf der Bühne, um eine unglaubliche Version des Evergreens Don’t stop Believing zu performen. Spätestens jetzt hielt es niemanden mehr auf seinem Stuhl – unter Standing Ovations jammten die MusikerInnen gemeinsam weiter und auch eine weitere Tanzeinlage von Ainsley und Mairi wurde mit Jubelrufen quittiert. Nomen est omen: Mit diesen KünstlerInnen war es ein Leichtes, das Publikum den irischen Herzschlag spüren zu lassen, das nach der Session voller Sehnsucht nach der grünen Insel in eine laue Vorfrühlingsnacht den Weg nach Hause antrat.
Graínne Holland on Facebook | Fourth Moon on Facebook | The Outside Track on Facebook
Fotos: Marlen Weller-Menzel