Dass in Neukölln viel los ist, sollte vielen Menschen durchaus bekannt sein. Was sich jedoch am Montag im Keller des Lagari ereignete, wissen nur eine handvoll Leute.
Klingt ein bisschen wie nach einem Verbrechen?
Nun, das wäre es auch fast geworden. Spätestens als Melvin Haack die bezettelte Wurfscheibe (ein Schwimmbrett mit freizügigen Meerjungfrauenaufdruck) hoch hielt und mit abwechselnden Gefühlen aus Begeisterung und Angst, vielleicht war es auch beides gleichzeitig, Dartpfeile aus Richtung seiner Freunde und Kollegen auf sich zu fliegen sah.
Zwar flossen an dem Abend Tränen, aber immerhin kein Blut.
Also keine Sorge.
Allerdings stellt sich hier die Frage, wie kam es nur soweit? Nun, wer sich hier unten im fensterlosen Keller Kleinkünstler nennt, verfügt meist über 3 ausgezeichnete Eigenschaften: Ein oder zwei Instrumente spielen zu können, den größten Stumpfsinn zu besingen und es dennoch zu einem wortgewandten Kleinod zu machen und zu guter Letzt, eine Portion Mut um beides in Kombination auf gefühlte 2 Quadratmeter Bühne vorzutragen.
Das Spiel
Wenn man ohnehin schon viele Lieder schreibt, warum nicht mal das Publikum entscheiden lassen? Genau das passiert hier. Die Gäste des Abends dürfen Themen aller Art (je abstruser, desto besser) auf einen Zettel schreiben und an die Wurfscheibe heften. Am Ende eines Abends werfen die Musiker mit Dartpfeilen darauf und versuchen möglichst keine Pfeile in Melvin zu versenken.
Besungen werden muss das erloste Thema beim nächsten Mal. Bei einer Vielzahl Zettel erwischt man dann auch mal 2 oder 3 – zur Freude des Publikums.
Die Kandidaten
Auf diesem Weg bekam beim letzten Mal Bimsstein-Prinzessin Lennart Schilgen das Thema ,,Füße“ zugelost und besang in Aschenputtel-Manier die Euphorie im eigenen fiktiven Salon Hornhaut abraspeln zu können. Ein Träumchen.
Aber auch das Gedicht über Natalie, bei der er sich einst eine Natter lieh, war wortstark.
Das lyrische Ich von Mundwellensittich Melvin Haack erwachte ohne Erinnerung in einem Krankenhaus und durfte beim Lesen seines Tagebuchs erfahren, dass er ein absolut narzisstisches Arschloch ist. Später übte er sich beim Abschiedslied mit seinen Kollegen als Schlager-Choreograf.
Schisha-schokoladen-Krokodil-Liebhaber Michael Krebs musste für seinen Song ordentlich Recherchearbeit leisten. Sein Lied beschäftigte sich mit dem Thema ,,Was man in Pornos nicht hören und/oder sehen kann“. Nach einigen Witzen war die Antwort einfach, aber auch schlagkräftig. Liebe. Später kamen auch Fragen, die sich bereits Sokrates und Platon stellten. Um frei zu zitieren: ,,Worum sorgt sich eigentlich so ein Ficker?“
Stargast war der stimmgewaltige Sebastian Krämer. Mit einer wissenschaftlich fundierten und strukturieren Lied-Ankündigung und der Tatsache, dass er an diesem Abend dreimal seinen größten Hit spielen konnte, ohne dass die Lieder sich ähnlich klangen, brachte er das Publikum dazu laut zu singen den WLAN Router aus und wieder einzustecken. Zudem ließ er das Auditorium dank seiner Lieder auch andächtig Schweigen oder herzhaft lachen.
Resümee
Was Lennart, Michael, Falk (an diesem Abend nicht dabei) und Melvin da aufgezogen haben, ist wie ein Stuhlkreis für wahnsinnig talentierte, humorvolle und eloquente Künstler, die niveauvollem Schabernack eine ganz neue Plattform geben.
Verbales Badminton, charmante Vulgarismen und eine wirklich schöne Atmosphäre, die auf ein begeistertes Publikum trifft und die Stunden beinahe zu schnell vergehen lassen. So kann man diesen Abend durchaus als ausverkauft bezeichnen, denn Platz gab es kaum noch. Wer den letzten Montag im Monat Liedermacher mit Kabarett Einlagen sehen möchte, dem sei diese Veranstaltung herzlichst empfohlen. Lachgarantie Dank viel Talent auf hohen Niveau.
Lied & Greet schafft ein Bühnenprogramm, das mit Qualität und Umfang lässig einen Saal füllen könnte, aber im Keller war es dafür auch schön und warm.
An diesem Abend trugen weder Musiker noch Gäste körperliche Schaden davon.
Für Termine und Updates besucht einfach die Facebookseite der Liedermacher hier.
(HINWEIS: Lied & Greet findet mittlerweile in der Junction Bar statt)