Anlässlich seines neuen Albums „keep walking“ haben wir mit Tobias Panwitz, Trailhead, über neue Titel und Wege, Authentizität und Bühne, aber auch über Inspiration und Weltverständnis gesprochen.
Folknews: Wer ist Trailhead? „Du + X“ oder vornehmlich „Du“?
Tobias Panwitz/Trailhead: Trailhead ist 2002 als Trio gestartet. Über die Jahre gab es viele Besetzungen, mal zu viert, mal zu dritt. Auf „Keep Walking“ sind tolle Musiker und Freunde zu hören, ohne die es nie ein so facettenreiches Album hätte werden können. Live bin ich allerdings solo unterwegs, da mir das mehr Flexibilität für die Tourplanung und bei den Konzerten selbst ermöglicht. Ich kann spontan Songs wechseln, das Publikum einbeziehen … ich mag diesen intimen Rahmen der Solokonzerte sehr. „Trailhead“ steht somit für alles was ich musikalisch unternehme. Live als Solist und im Studio gemeinsam mit anderen Musikern.
Welcherlei Intentionen/Aussagen verbergen sich hinter „Trailhead“ und „keep walking“? In den 90er Jahren habe ich einige Monate im nordkalifornischen Redwood Nationalpark damit verbracht, als Teil der Trailcrew Wanderwege instand zu setzen bzw. anzulegen. Da dort alles etwas weitläufiger ist und alle Trails, also Wanderwege, mit dem Auto angefahren werden, muss es dafür klare Startpunkte mit Parkplatz geben. Das sind die Trailheads. Jeder Tag begann damals für uns an einem Trailhead. Und da Natur und Folksongs für mich nah beieinander liegen, fand ich diesen Begriff sehr passend für meine Musik und mich. Besonders für mein neues Album „Keep Walking“, mit Walking Songs, die auf Wanderungen in Spanien, Südamerika, Italien und Deutschland entstanden sind. Der Titeltrack „Keep walking“ entstand während einer sehr regenreichen Langstreckenwanderung durch Spanien. Damals habe ich mich selbst motiviert weiterzulaufen in dem ich den Song vor mich hingesungen habe. Mittlerweile ist er für mich ein genereller Durchhalte-Song geworden, der sich auf viele Lebenssituationen anwenden lässt, in denen man die Zähne zusammenbeißt, nicht aufgibt und „weiterläuft“.
Verstehst du dein jüngstes Album als Hommage an das antike „panta rhei“? Dass „alles fließt“? Hm, … das hatte ich beim Schreiben der Songs nicht bewusst im Kopf. Ich denke, im Leben geht es nicht vorrangig um Ergebnisse, sondern darum, es zu leben, Momente zu genießen und sich in dem was einem wichtig ist, treu zu bleiben. Insofern ist es ein lebenslanges Weitergehen, ein Fließen wenn man so will .. Wer weiß, vielleicht auch nach dem Tod. In irgendeiner Form geht die Existenz ja weiter. Auch wenn sie nicht mehr mit dem „ich“ verbunden ist. Keine Angst, existentielle Erörterungen dieser Art gibt es auf dem Album nicht. Vielleicht auf dem nächsten …
Gab es neben Mathew James White noch einen anderen Grund für die Neuauflage von „Road To Salamanca“? Mathew sagte mir, dass er diesen Song sehr mag. Und ich bin froh, dass er darauf mitgesungen hat. Er ist ein fantastischer Sänger und Gitarrist. Ich hatte immer über eine Neuauflage des Songs für dieses Album nachgedacht. Bei so einer Idee ist aber nie sicher, ob sie auch funktionieren wird, dass die neue Interpretation neben der originalen eine Daseinsberechtigung hat. Bei den Aufnahmen mit Mathew wurde aber ziemlich schnell klar, dass es eine großartige Neuversion von „Road to Salamanca“ wird.
Ich habe nur eine verkümmerte Affinität für die englische Sprache. Wie kommt man bzw. kamst du auf die Idee, wenn man schon aus einer der Städte mit dem charmantesten Dialekt stammt, in einer fremden Sprache zu singen? Wahrscheinlich dadurch, dass es für mich keine fremde Sprache ist. Seit ich begonnen habe Musik zu hören, ist es vornehmlich englischsprachige. Begonnen mit Leuten wie den den Beatles, Peter Gabriel und Pink Floyd, später dann die Grateful Dead, Tom Petty, Neil Young und Phish und heute Aimee Mann, Ron Sexsmith … Mein Englisch habe ich von Anfang an durch Musiktexte aufgesaugt, später bei meiner Arbeit im Nationalpark vertieft … die Sprache war daher immer verbunden mit sehr persönlichen Erlebnissen und Empfindungen. Wer mich aber im Berliner Dialekt singen hören möchte, kann sich meine „Berlin Brandenburg EP“ zu Gemüte führen 😉
Was ist Musik für dich? Ausdruck deines Innenlebens und Erlebens, in das sich das Publikum finden kann – oder vielmehr eine Ausdrucksform von dir für dich? Ich schreibe ausgehend von eigenen Empfindungen. Manche Songs sind vielleicht so detailliert, dass zu Außenstehenden nicht so intensiv sprechen wie zu mir. Im Idealfall gelingt es mir, die das Persönliche ins Universellere zu wenden, so dass Andere ihre eigenen Empfindungen darin gespiegelt sehen. Ich selbst mag auch Songs am liebsten, die nicht zu konkret sind und viel Platz für eigenes Kopfkino lassen. Neil Finn z.B. ist ein Meister solcher Bildräume, in denen alle Fenster und Türen weit offen stehen. Dafür bewundere ich ihn sehr.
Ist tatsächlich alles erlaubt, was gefällt? Wem? Mir oder den Zuhörern? Eigentlich egal. Ja, alles ist erlaubt.
Ist die Bühne vornehmlich ein Ort der Authentizität oder der Inszenierung? Jeder Bühnenauftritt ist eine Inszenierung. Unser aller Gesicht zur Außenwelt ist es ja auch. Wo also beginnt „Authentizität“? Natürlich habe ich viele Ansagen parat. Song-Abläufe sowieso. Und innerhalb dieser Gerüste kann ich mich, gerade als Solokünstler, frei bewegen. Ich versuche aber immer, mit dem jeweiligen Publikum eine Verbindung herzustellen, die für diesen einen Abend speziell ist. So macht es mir und den Leuten einfach mehr Spaß.
Was planst du bis zum Ende dieses Jahres sowie für das kommende? Jetzt wo das neue Album unterwegs ist, will ich es auch bald wieder sein. Ich kann ja nicht nur übers Laufen singen, möchte dem auch Taten folgen lassen! Wohin genau es geht will ich noch nicht verraten. Ungelegte Eier und so. Aber es wird zu Fuß sein. Ab Spätsommer/Herbst geht die „Keep Walking“-Tour weiter und im nächsten Jahr werde ich hoffentlich wieder im Studio sein. Vier Jahre, wie nach dem letzten Album, sollte es nicht wieder dauern.