01) Grundsätzlich staune ich, dass neben SELDOM SOBER COMPANY sowie SANDERS ALLEY GEILING auch für dieses Projekt noch Zeit zu sein scheint. Und du tourst recht intensiv, wobei die Auftrittsorte sich stark unterscheiden: Was sind die Auftrittsorte, die dir am meisten behagen – das Privatissimum oder die große Bühne?
Das kann ich so nicht sagen. Ich mag den Mix der Auftrittsorte, privat trete ich nur sehr selten auf, am liebsten mag ich eher die Theaterbühne, das Licht, einen guten Ton und sagen wir mal, die Musik / unser Konzert im Fokus des Publikums. Aber im Laufe der Zeit habe ich auch schon an so verrückten Orten gespielt, dass ich eigentlich die Erfahrung als Ganzes genieße. Wenn ich drüber nachdenke fallen mir auch unzählige tolle und echt aufregende Momente ein, ich möchte keinen davon missen. Nebenbei lerne ich unser schönes und großes Land immer besser kennen und habe ein großes Interesse an den lokalen Küchen entwickelt und versuche bei den Reisen auch immer so viel wie möglich zu erfahren.
02) Was treibt dich an, Kinderlieder zu schreiben?
Irgendwann im Studium (übrigens Lehramt Grundschule an der MLU) kam der Impuls von Frau Prof. Annedore Prengel: „Toni, schreib mal ein Lied über Vielfalt“, das war dann „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ – mein erstes Lied für Kinder, dann ging es immer so weiter, es kam der Plan eine ganze CD zu machen (noch während des Studiums), dann die zweite, dann noch eine. Momentan arbeite ich erst mal an anderen Sachen.
03) Dein sogenanntes Wolkenorchester ist eine enorme Referenzliste ausgezeichneter Musiker. Wie machst du das live? Treibt dich das im Studio kreativ an oder hast du, bevor die Musiker kommen, bereits dezidierte Vorstellungen, was gespielt werden muss?
Live gibt es mich in z.B. in Kitas oder Schulen gerne solo. Da gibt es für die Kinder mit mir alleine schon viel zu schauen und zu hören. Ich spiele dann neben meinen Liedern auch Violine oder Singende Säge, nicht nur um dem Publikum mal Ruhe von herabregnenden Texten zu verschaffen, sondern auch, weil die Violine meine erste große musikalische Liebe ist und die Säge ein tolles Show-Element und akustisches Novum. Oft trete ich aber auch im Duo oder mit kleinerer Band auf. Mit dem Wolkenorchester immer dann, wenn es größer wird, Stadtfeste und bessere Häuser etc. Für mich haben alle Besetzungsgrößen ihren Reiz. Meistens können eh nicht alle Kollegen, es gibt aber eine Stammbesetzung, die gut eingespielt ist.
Ich habe im Studio recht genaue Vorstellungen, bzw. komponiere auch viel aus, trotzdem lasse ich mich auf die guten Ideen meiner Musikerin und Musiker ein. Das liegt auch ganz am Typ des Instrumentalisten. Dem Andreas Uhlmann z.B. (an der Posaune) würde ich niemals das Solo vorschreiben, wohl aber mal eine Linie, die im Satz des Liedes wichtig ist. Da sind die Leute auch total verschieden. Aber alle Beteiligten beherrschen ihr Instrument in allen Facetten und darüber hinaus. Dave Alley und Jon Sanders sind nur Gäste auf der CD, da sie in Neuseeland wohnen, sie waren gewissermaßen nur zu einer Session im Studio
04) Textlich sind deine Kinderlieder durchaus bewusst naiv inszeniert. Fällt es dir nicht schwer, die kindliche Perspektive einzunehmen?
Ich weiß nicht, was du damit meinst „bewusst naiv inszeniert“. Ich kann die kindliche Perspektive auch nicht einnehmen, vielleicht sie beobachten und zitieren, mehr nicht. Vielmehr gelingt es mir eine ganz eigene Perspektive aufzumachen, die Kinder inspirieren kann und auch eine zweite Ebene für die Großen bietet. Ehrlich gesagt gibt es auch meist ein Dritte, recht abstrakte Ebene, die aber vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Z.B Im Lied „Der Milan“ sieht das eine Kind vielleicht nur die Bildbeschreibung, das Gemälde, das andere Kind entdeckt das Bild im Bild im Bild… Mich treibt der Milan um, nämlich dass seine Perspektive für uns immer unergründlich sein muss, es wird auch gar nicht erklärt, ob der Milan auf dem Bild ist, ja offensichtlich aber er ist auch über dem Bild, Außenstehend, auf das Geschehen herabblickend
05) Das sich das kindliche Publikum von dem erwachsenen unterscheidet, ist kein Novum. Da du aber bewusst beide suchst, frage ich mich, was dir das eine gibt, das dir das andere nicht bieten kann. Oder irre ich?
Du irrst, Es gibt natürlich Unterschiede, schon was die spielbaren Lautstärken anbelangt und Erwachsene klettern vielleicht seltener an Boxenstativen hoch oder hüpfen über Kabel… Kinder sind vor allem das ehrlichste Publikum, dass es gibt. Sie warten niemals höflich ab und applaudieren. Wenn ich sie nicht begeistern kann, habe ich verloren. Eigentlich ein Gradmesser für meine Kunst.
06) Diversen Kinderliedermachern lässt sich Elitarismus vorwerfen, was man auch am Publikum erkennt – denn in ebd. sind die Kinder eher das schmückende Beiwerk ihrer Eltern, die sich gutmenschlich besäuseln lassen wollen. Andere wiederum machen Kinderlieder à la DJ Ötzi. Was du nicht willst, ist also klar, aber was ist es – konkret auf den Punkt gebracht?
Ich habe persönlich noch keine elitären Kinderliedermacher getroffen. Nur nette! Es gibt ein paar sehr gute und natürlich auch ganz gräuliche. Ich selbst will eigentlich nur meine Lieder singen und, das mag banal klingen, meine Familie damit ernähren. Den Plan habe ich so ähnlich schon mit neun Jahren gefasst („Wenn ich groß bin werde ich Afrika-Helfer oder Geiger oder Schauspieler“) und über die vielen Stationen immer weiter daran gearbeitet. Und, Kinder sind immer oder sollten ein bisschen auch Schmuck und Stolz ihrer Eltern sein. Das finde ich nicht verwerflich. In meinen Konzerten sitzen einfach die, die meine Musik mögen. Manche versinken regelrecht in den Geschichten, Figuren und musikalischen Arrangements der CDs, Ich bekomme mittlerweile Geschenke, Plätzchen, Bilder und so Sachen und die Leute sind einfach froh, dass es diese Lieder in ihrem Leben gibt.
Und ja, ich mache vieles anders als meine Kollegen und nicht jedem guten Musiker ist die Gabe zu einem guten Text gegeben und andersrum und eine Stimme braucht man dann auch noch und so weiter … Eines mache ich definitiv nicht: Bumm Bumm (hast du richtig erkannt). Im wesentlichen blende ich als Musiker alles nicht analoge und programmierte einfach aus. Das erscheint heutzutage vielleicht antiquiert aber es liegt mir einfach nicht und ich kann live überhaupt nicht dem Rhythmus einer Maschine folgen. Außerdem komponiere auch nie im Stil XY: wie „ so jetzt machen wir mal Hip Hop und das nächste Stück im Samba Feeling“. Das wird auch so bleiben. Es reizt mich auch nicht immer heh hoh, heh hoh zu machen und mit meinen Armen zu wedeln. Es ist scheinbar leichter das zu artikulieren, was man nicht mag.
Was will ich also: einfach schöne Musik machen und meinen Liedern die Ehre erweisen – ach ja, und natürlich muss sich das am Ende des Tages auch rechnen. In Konzerten arbeite ich viel mit starken Gegensätzen, leise, poetisch und noch leiser und dann HOFFNUNGSLOS ROCKIG INTENSIV und dann irgendwo zwischen den Welten. Ich, ein Mikro, eine Gitarre, eine Kontrabass, Anne am Schlagzeug und dann noch den einen oder anderen Kollegen, der richtig mit seinem Instrument zaubern kann. Dann bin ich glücklich.
07) Hat sich mit deiner Vaterschaft dein Umgang mit Kinderliedern verändert?
Ja klar. Tatsächlich kommen auch einige Ideen der neuen CD von meinen Kindern, die sagen manchmal so überraschende oder komische Dinge, die ich in einem Lied benutze und weiterverwurstle. Außerdem lass ich auch alle neuen Lieder von meinen Jungs vorher absegnen oder schaue auch, welche Themen und Melodien sie mögen.