Vergangenen Freitag ist mit „Tau“ ein neues Album von Tobias Dellit & die schweigende Mehrheit erschienen. Dreizehn vielseitige Stücke, introspektiv und dunkel, erhebend und mitreißend. Ein fein ausbalanciertes Werk, welches Tobias Dellits großes Talent als Songwriter beweist und gleichzeitig von der Vielschichtigkeit der schweigenden Mehrheit als Band sowie der zahlreichen Gäste im Zuge der Produktion profitiert.
Im schriftlichen Interview mit Folk News gibt der Stuttgarter Einblicke in die Prozesse rund um die Entstehung und Veröffentlichung von „Tau“.
Was kannst du uns hinsichtlich der Entstehung der Songs von „Tau“ erzählen? Gab es ein vorgelagertes Konzept oder konkreten Antrieb?
„Tau ist das Ergebnis einer Bandgründung, die sich im Grunde direkt mit einer Zeit ohne Auftrittsmöglichkeiten konfrontiert sah.
Einige Songs waren bereits fertig, andere wurden erst in der Gemeinschaft wirklich entwickelt. Wir wollten einen neuen Sound finden, ein Album zum Durchhören machen, das Text und Botschaft nicht zu kurz kommen lässt und trotzdem musikalisch neue Akzente setzt und sich und uns als Band zu einem neuen Ganzen formiert. Uns war wichtig viele Facetten zu zeigen, Menschen vorzustellen, die uns wichtig sind und eine Stimmung zu schaffen, die sich nicht direkt verorten lässt und zum Wiederhören einlädt.“
Neben der schweigenden Mehrheit sind u.a. zwei Feature-Gäste auf „Tau“ vertreten. Wie gestaltete sich die Arbeit im Studio?
„Ich habe nachgezählt:
In sechs verschiedenen Räumen, mit Tonbeiträgen von 19 verschiedenen Künstler*innen und in über 25.000 Stunden ist aus einer Idee eine Schallplatte geworden. Tau ist ein Gemeinschaftswerk und komplett DIY. Kein Label, keine Verträge. Es zeigt uns wie wir sind und was wir mit der Hilfe vieler fleißiger Freundinnen und Freunde auf die Beine stellen können. Im Studio selbst lassen wir uns gerne Zeit, haben aber genauso remote mit Beitragenden zusammengearbeitet.“
Auf dem Albumcover sowie auf deinen Kanälen sieht man dich mit einem tierischen Begleiter abgelichtet. Was hat es damit auf sich?
„Texas ist ein altes einäugiges Zirkuspferd, das seinen Lebensabend nach einem Leben voller Leid bei einem sehr großherzigen Menschen verbringen darf. Dort hat es Freunde, Heu und Besuch. Wenn ich zu Besuch bin dann darf Texas am Tisch sitzen und mit uns vespern. Texas liebt Karotten und kleine Ausflüge. Nachdem ich Texas gemeinsam mit meiner Lieblingsfotografin und außergewöhnlichen Pianistin Alice Baldwin kennenlernte wussten wir sofort: Texas wollen wir verewigen. Texas muss aufs Cover!“
„Tau“ ist noch ganz frisch, einige Stücke existieren jedoch bereits einige Zeit, bspw. die Single „Seltsame Kreise“. Kannst du bereits einschätzen, welche Rolle „Tau“ in deinem Gesamtwerk als Künstler einnimmt?
„„Tau“ ist ein Schritt in eine neue Richtung. Ich werde nicht aufhören alleine mit der Gitarre auf der Bühne zu stehen, aber die Perspektive mit einer Band im Rücken eine Show mit vielfältigeren Möglichkeiten und einem größeren Spektrum auf die Bühne zu bringen eröffnet in Musik und Performance viele Möglichkeiten, die ich unbedingt auskosten und -probieren möchte. „Tau“ kann also durchaus als Zuwendung zur Gruppe und zur größeren Klangpalette verstanden werden. Ich möchte die schweigende Mehrheit jedenfalls nicht mehr missen.“
Die vergangenen Jahre haben verdeutlicht, wie groß der Mangel an Bündelung von Interessen und Kräften innerhalb der Kulturbranche ist. Als aktives Mitglied des Feierabendkollektivs e.V. bist du Mitgestalter verschiedener Kulturveranstaltungen und Formate. Wie ist deine Haltung zu diesem Thema und welche Rolle nimmt diese Arbeit in deinem Gesamtschaffen ein?
„Seit über zehn Jahren arbeiten wir mit dem Feierabendkollektiv an deutschlandweiten Auftrittsmöglichkeiten und einem Netzwerk für Musikerinnen und Musiker unseres Genres. In den letzten 3 Jahren hat sich dieses Netzwerk schlagartig vergrößert. Gute Kontakte zu Veranstalter*innen und Locations, Produzent*innen und Techniker*innen lassen uns zu einem schlagkräftigen Team werden, das größere und kleinere Projekte durchführt, unterstützen oder Ansprechpartner für Künstler*innen sein kann, die wie wir die Potentiale einer Do it yourself-Kultur schätzen.
Dass mir die Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen Liederchreibenden ein ernstes anliegen ist zeigen auch die vielen Kooperationen für das Album „Tau“.
Der Zugang zu Know-How und Gemeinschaft und die Sicherheit gemeinsam mehr bewegen zu können als allein ist steter Antrieb weiterzumachen. Viele Jahre habe ich mehrere Festivals mitgestaltet und Konzertreihen organisiert, aktuell arbeite ich viel im Studio an Produktionen für Kolleg*innen aus dem Kollektiv(-Umfeld) und versuche unser Netzwerk im deutschsprachigen Raum kontinuierlich zu vergrößern.“
Einige Konzerte sind bereits geplant. Gibt es weiterführende Pläne für das kommende Jahr?
„Im Anschluss an das große Doppel-Releasekonzert im Januar mit der Kollegin Bea-Bacher folgen einige weitere Termine bist dann im Frühjahr (wenn’s taut!) eine Release-Tour geplant ist. Termine werden bald veröffentlicht!“
Fühl dich frei, alles zu ergänzen, was dir hinsichtlich des Albums oder deiner Arbeit als Musiker wichtig erscheint.
„Es gibt vielen Leuten zu danken für das Album. Mit großem Abstand jedoch hat mein Bassist und Soundingenieur Armin Schwarz am meisten Zeit und Energie mit mir in dieses Album gesteckt. Dieser Ort scheint mir geeignet für eine exklusive Erwähnung: Danke!“
Vielen Dank für das Gespräch, lieber Tobi!
„Tau“ ist als Vinyl auf der Homepage des Künstlers erhältlich sowie auf allen gängigen Streamingportalen verfügbar.
Tour 2023/2024
11.12.23 Wizemann, Stuttgart (Dead Or Alive Slam); 05.01.24 ClubCann, Stuttgart (Doppel-LP-Release mit Bea Bacher); 20.01.24 Club Voltaire, Tübingen; 16.02.24 Philipp Eins, Speyer
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Titelliste:
01. Komm ins Wasser
02. Gemischte Gefühle
03. Fremdenverkehr
04. Liegengeblieben
05. Kalenderlied
06. Schon Klar
07. Seltsame Kreise
08. Schnee in Kopenhagen
09. Im Gartensaal
10. Ein Herbstlied (feat. Maike Gerten)
11. Auf die scheue Phantasie
12. Katzenaugen (feat. Melvin Haack)
13. Ringo Starr