Am 20.04.2024 veröffentlicht die Stuttgarter Musikerin Bea Bacher ihr neues Album „Flußpferdhofsiedlung“. Zehn Stücke, die sich teils wie auf Zehenspitzen anpirschen und gleichsam in ihrer Tiefe eine Kraft entfalten, an welcher kein*e Hörer*in vorbeizukommen vermag. Ein Album, das Leichtes und Schweres miteinander verbindet, das Bedrohlichekeiten erkennt und Utopien besingt. Kurz gesagt, ein intesives Werk. Das zweite nach dem 2015er Debüt „Mülldeponie“.
Im Interview mit Folk News gibt die Songwriterin Ein- und Ausblicke rund um die Entstehung von „Flusspferdhofsiedlung“.
Wie bist du auf den Album- und Songtitel „Flusspferdhofsiedlung“ gekommen?
„Die Flusspferdhofsiedlung ist eine Plattenbausiedlung in Berlin Alt-Hohenschönhausen und in der Mitte der Siedlung steht ein kleiner, in Beton gefasster Teich mit zwei Pferden aus Stein. Vielleicht passen die zwei auf die Leute in der Siedlung auf, so stell ich mir das vor. Ich habe mich in das Wort ‚Flusspferdhofsiedlung‘ auf jeden Fall schockverliebt und wenn ich nicht so gerne in Stuttgart wohnen würde, würde ich dort hinziehen wollen. Ich habe mir nämlich mal selbst versprochen, dass ich nur noch an Orte und in Straßen ziehe, die schöne Namen haben.“
Was kannst du uns hinsichtlich der Entstehung der Songs auf „Flusspferdhofsiedlung“ erzählen?
„Die Lieder ‚Memo‘ und ‚Flusspferdhofsiedlung‘ bilden das Intro und das Outro des Albums und sind keine Studioversionen. Sie rahmen die Lieder auf dem Album ein und passen auf es auf, so wie die Pferde auf die Siedlung. ‚Memo‘ entstand, als ich mal von einem Poetryslam zurückkam, bei dem jemand ein Gedicht vorgetragen hatte, das immer nur aus demselben Satz bestand. Alles kann ja ein Gedicht sein und daher kann auch alles ein Lied sein! Was der Satz auf dem Slam war, weiß ich nicht mehr, aber der Satz, der mir durch den Kopf ging, war: ‚Ich darf heut auf keinen Fall sterben.‘ Meine Mutter war entsetzt, als sie das Lied zum ersten Mal hörte, aber sie hat es falsch verstanden: Es beschreibt das Gefühl, wenn man sich unendlich doll auf etwas freut und man deswegen auf keinen Fall schon vorher sterben sollte!
Das Lied ‚Flusspferdhofsiedlung‘ ist ein Liebeslied. Für das Wort und vielleicht auch für einen Menschen. Ich spiele das Lied nicht oft live, weil es so persönlich ist und vielleicht ist es darum das einzige, das in mir wirklich noch das echte, zurückführbare Gefühl auslöst. Vielleicht auch, weil es auf meinem Zimmerfußboden aufgenommen ist, an dem Abend, als es entstand. Diese Aufregung über ein neues Lied, diese Zärtlichkeit für den Inhalt, diese Magie und Zerbrechlichkeit von etwas, das gerade neu entsteht, das ist in diesem Lied für immer konserviert. Ich bin sehr für Authentizität und ich finde, es sollte auf der Welt mehr Lieder wie ‚Flusspferdhofsiedlung‘ geben – nicht nur im Privaten, sondern im öffentlichen Raum!“
Ein Flusspferd, ein Pinguin, ein Flamingo und ein Lied für deinen Hund „Tomte“, warum spielen Tiere auf dem Album eine so zentrale Rolle?
„Das war mir gar nicht so sehr bewusst. Aber ja, ich denke immer für Tiere mit und sorge mich auch viel um sie. Meine Schwester hat vor vielen Jahren die Tierrechtsorganisation Animal Equality Deutschland mitbegründet, eine Aufbruchzeit, die ich sehr intensiv miterlebt habe. Ich habe immer das Gefühl, eine gewisse Verantwortung zu tragen. Der Tanzbär kommt auch im Album vor, in ‚Mülldeponie‘. Und die leergefischten Meere. Da sind aber ja genaugenommen keine Tiere dabei. Ein Eisbär ist auch im Album, in ‚mein Verantwortungsgefühl dehnt sich aus auf alle Eisbären, die mit meinem Rechner und der Atmosphäre heiß werden.‘ Stimmt, sogar einen Schwertfisch gibt es, es sind wirklich viele Tiere. Aber der Flamingo zum Beispiel ist einfach nur positiv besetzt, er schwimmt in meiner Vorstellung immer den Neckar auf und ab.“
Wie gestaltete sich die Arbeit im Studio?
„Das war einfach. Simon Schütt, mit dem ich lange befreundet bin und dem ich (in Sachen Musik, sonst vielleicht auch, aber gab noch keine Gelegenheit) blind vertraue, hat die Produktion im Studio im Popbüro Heilbronn-Franken übernommen. Es hat keine Woche gedauert, dann waren wir fertig. Das war richtig schön. Dann hat Simon im Nachhinein die Instrumentierung zu einigen Songs geschrieben und eingespielt. Er ist da erstens ein krasser Profi und hat zweitens eine unendliche Sensibilität den Songs gegenüber. Wer die Instrumentierung mag, der kann sich Simons Soloprojekt ‚Solace‘ anhören, das ist wunderschön.“
2018 hast du mit dem Video zu „Tomte“ einen viralen Hit gelandet. Was hat sich dadurch kurz- oder mittelfristig für dich oder dein Schaffen verändert?
„Mein Hund wurde auf der Straße erkannt und angesprochen, das war sehr süß. Konkret hat sich aber nicht viel verändert, da ich in dem Moment, in dem es passiert ist, einfach überrollt wurde und gar nicht auf alles eingehen konnte. Ich hätte viel mehr Interviews geben können und hätte die Chance gehabt, meine Musik ganz anders zu vermarkten. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt kein Konzept und noch nicht mal eine Studioversion von ‚Tomte‘. Die habe ich jetzt nachgeholt und die Leute können ‚Tomte‘ endlich downloaden und sogar auf Vinyl kaufen. Aber ich habe was Persönliches für mich mitgenommen: Ob meine Musik gut oder schlecht ist hat nichts damit zu tun, wieviele Leute sie hören. ‚Tomte‘ hatte in der öffentlichen Wahrnehmung Erfolg, aber für mich sind viele meiner Lieder ebenbürtig. Viel ist Glück und Zufall. Und bei ‚Tomte‘ gab es vor dem Erfolg Momente, da habe ich überlegt, ob ich das auf einem Konzert überhaupt singen kann.“
Fühl‘ dich frei, alles zu ergänzen, was dir hinsichtlich des Albums oder deiner Arbeit als Musikerin wichtig erscheint.
„Jedem Song auf dem Album ist eine Illustration eines Künstlers zur Seite gestellt – jeder Song hat also ein komplett eigenes Artwork. Daher gebührt, außer Simon Schütt, den ich nicht oft genug dankend erwähnen kann, ganz besonderer Dank den vielen Menschen, die meine Schallplatte zu einem Gesamtkunstwerk gemacht haben. Da seien zu erwähnen Markus Rapka, Stephan Danzer, Ute Barz, Ulrike Protzek, Florijan Hölzle und der schönverrückte Mensch, der das Flusspferdcover der Platte gezeichnet hat: Stefan Dittrich. Und last but not least danke ich meinem Stuttgarter Liedermacherverein Feierabendkollektiv für 10 Jahre Freundschaft, Veranstaltungen, Netzwerk, Party und gemeinsame Leidenschaft für die Musik.“
Für dieses Jahr sind bisher folgende Livetermine bekannt:
- 25.04.2024 Albumreleasekonzert, Theater LaLune, Stuttgart
- 03.05.2024 Seegrasspinnerei, Nürtingen
- 20.07.2024 Kipepeo, Stuttgart
Für weitere Infos folgt Bea Bacher:
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Tracklist:
01. (Intro) Memo
02. Herz
03. Resignation
04. Mülldeponie
05. Flamingo
06. Tomte
07. Utopie
08. Büro
09. Realität
10. (Outro) Flusspferdhofsiedlung