Finn Flickenmantel (Gesang, Gitarre) und Ivan (Schlagzeug) von MinnePack standen uns ebenso umfang- wie detailreich für ein Interview zur Verfügung. Neben ihrem aktuellen Album „Heimkehr„, berichteten beide über die Historie ihrer Band, Wandel und Konstanz als Notwendigkeit von Identität und Selbstverständnis. Muss Musik auch politisch sein? Darf sie es? Wie verändern personelle Neustrukturierungen das Miteinander? All das könnt ihr hier nachlesen und tiefe Einblicke und -Lese in die Welt zweier leidenschaftlicher Musiker nehmen.
Dem Ergründen des Urschleims nachkommenden, beginne ich mit dem bewährten „Nomen est omen“. „Pack“ – fernab von seinen sprachlichen Wurzeln – ist eher ein pejorativer Begriff. Warum diese Wahl? Euer musikalisches Schaffen ist doch alles andere als gossen- oder packhaft.
Finn: Um dem Hintergrund unseres Namens nachvollziehen zu können, muss man sich tatsächlich ein bisschen von unserer aktuellen musikalischen und textlichen Ausrichtung lösen und einen Blick auf die Anfangszeit der Band im Jahr 2012 werfen, aus der ja auch der Bandname stammt. Wir haben MinnePack damals als reine Mittelaltermarkt-Combo gegründet. Wie viele Neuling-Bands haben wir am Anfang natürlich auch gecovert und traditionelles nachgespielt. Zahlreiche dieser Lieder waren die für die Szene typischen und für den Wünschen des oft alkoholbedingt angeheiterten Publikums entsprechenden Sauflieder und Lieder mit Verweisen auf … sagen wir mal: niedere Minne. Da war das Repertoire schon um einiges packhafter, als das jetzt der Fall ist. Wir befanden uns am Anfang natürlich voll in der Selbstfindungsphase: Wer sind wir? Was wollen wir machen? Wo wollen wir hin?
Im Lauf der Jahre, bei vielen Märkten, bei vielen Veranstaltungen, bei vielen Konzerten, haben wir gemerkt, was unsere Stärken sind, womit wir uns identifizieren können und womit nicht. Wir haben schließlich textlich und musikalisch eine Ausrichtung gefunden, mit der wir uns verwirklicht sehen. So haben wir fast alles an Sauf- und Raufliedern aus dem Repertoire geworfen und überlassen diese Lieder heute lieber den Bands, die das besser können als wir. Aus diesem Grund mutet das „Pack“ heute vielleicht etwas unpassend an. Wir sehen Minne und Pack heute als zwei Pole, zwischen denen sich das Leben, das wir besingen, so bewegt: Zum einen die ernste, traurige, besinnliche oder auch dunkle Seite, zum anderen die lustige, unbeschwerte und helle Seite.
Welche integralen Veränderungen und Kontinuitäten seht ihr als Schaffende im aktuellen Album gegenüber dem Vorgänger?
Iwan: Ich bin ja erst seit Oktober 2016 Bandmitglied und kenne das alte Album „Von Wegen“ nur vom Hören (und von der vierwöchigen Vorbereitungszeit auf das erste Konzert im Oktober 2016, bei dem wir das erste Mal zusammen gespielt haben), kenne daher auch die Wege zu dessen Zustandekommen nicht. Dennoch fallen mir zwei wesentliche Dinge ein, die für mich den Unterschied der beiden Alben ausmachen: Zum einen ist er eine Abbildung der musikalischen Fortentwicklung, die die Band seit Bestehen durchmacht. Zum zweiten – das finde ich fast noch wichtiger – ist jetzt Schlagzeug dabei.“ Finn: „So ungern ich es auch in diesem Rahmen hier zugebe ?, aber das Schlagzeug ist tatsächlich für mich auch der gewichtigste Faktor in der Entwicklung von „Von Wegen“ zu „Heimkehr“ Nicht nur alleine als „Symptom“, weil alles mehr groovt und fetzt, sondern auch als Ursache für weitere Veränderungen: Nachdem Iwan zu uns gestoßen ist und wir festgestellt haben, dass sich der Sound von MinnePack durch das Schlagzeug doch gewaltig verändert hat, haben wir auch unser gesamtes Repertoire nochmal eingehend überarbeitet und angepasst. Die einfachen Marktarrangements, wenn ich sie mal so nennen darf, bei denen auch ohne elektrische Verstärkung alles laut und gut zu hören sein musste und folglich etwas gleichförmig war, wurden komplett überarbeitet.
Wir waren von den Ergebnissen so begeistert und überzeugt, dass wir uns dann ja auch entschlossen haben, unsere elf Lieblingslieder der ersten CD in der neuen Fassung nochmal aufzunehmen und auf „Heimkehr“ zu veröffentlichen. Übrigens komplett auf eigene Kosten, da wir die Käufer nicht für unseren Wunsch der Neuaufnahmen zur Kasse bitten wollten. Das Doppelalbum „Heimkehr“ wird ja daher für den Preis einer einzelnen CD verkauft. Wir können uns aus verschiedenen Gründen mit der Von Wegen-Fassung nicht mehr identifizieren und hätten es zu schade gefunden, wenn die elf Lieder nicht in einer ordentlichen Version auf CD zu haben wären. Irgendwie haben wir es so empfunden, das den Liedern schuldig zu sein.
https://www.youtube.com/watch?v=jtg8P_GXqwE
Benennt man ein Album „Heimkehr“ mutet es implizit an, als wäre alles davor etwas aus nicht-heimischen Gefilden. Ist dem so? Markiert der Albumtitel eure Selbsteinschätzung des Angekommen-Seins?
Finn: In der Tat. Betrachtet man das von der großartigen Künstlerin und unserer sehr lieben Freundin Joran Elane wunderbar designte Cover der CD „Von Wegen“ sieht man, dass wir dort noch in der Ferne sind, man könnte sagen: noch auf der Suche oder dem Weg. Auf dem „Heimkehr“-Cover, das ebenfalls von Joran entworfen wurde, ist die Tür unseres Zuhauses zu sehen. So schön und ereignisreich eine Reise auch sein mag, es ist doch auch immer wieder schön, heimzukehren. Der Albumtitel hat uns auf mehreren Ebenen angesprochen und überzeugt. Die eine Ebene ist innerhalb der Welt unserer Alter Egos ganz simpel die Rückkehr der Spielleute in die Heimat. Wir sind viel unterwegs gewesen, haben viel erlebt und erfahren, haben zahlreiche Geschichten gehört und erzählt bekommen. Und aus diesen Erfahrungen resultierend haben wir viele Lieder und Geschichten im Gepäck, die wir nun in bester Spielmannstradition unserem Publikum in der Heimat weitergeben und -erzählen möchten.
Die andere Ebene ist die, welche wir in der Antwort zur vorherigen Frage schon angesprochen haben. Die Zeit nach Logans Ausstieg war sehr turbulent und unruhig. Lange war es nicht gewiss, wie und ob es mit MinnePack weitergehen würde. Wie sich danach alles entwickelt hat, war einfach wunderbar. Schon beim ersten Zusammenspiel mit Iwan haben wir gemerkt, dass es sich einfach richtig anfühlt. Wir fühlen uns tatsächlich sowohl menschlich mit den beiden „Neuzugängen“ Isea und Iwan, als auch musikalisch „heimgekehrt“ oder wie Du sagst: angekommen.
Eure Gesangsattitüden bewegen sich – glücklicherweise – fernab vom gewichtigen Klugscheißerduktus der Szene-Größen und Kleinen. Ist das bewusste Abgrenzung oder eher eine Bauchentscheidung?
Iwan: Ich denke, es ist eher eine Bauchentscheidung. Wir machen, was uns gefällt und einfällt und schauen nicht, zu welchen Themen die Welt auf ein Statement von uns gewartet hätte. Natürlich passen aber so Lieder wie z.B. „Heimkehr“ – leider aktueller denn je – in die derzeitige Zeit, aber es ist trotzdem nicht die Zeit oder die Politik, die unseren Liedern die Themen vorschreibt.
Finn: Man darf sich und seine Rolle in dieser Welt nicht zu ernst und gewichtig nehmen. Ich denke auch, dass uns von unserem Charakter her das Augenzwinkern einfach mehr liegt als der erhobene Zeigefinger.
Insgesamt offenbart euer Album die Kombination aus Unterhaltungselementen und technischer Versiertheit. Seid ihr musikschulisch oder -studentisch sozialisiert?
Finn: MinnePack ist glaube ich eine bunte Mischung aus klassischer Ausbildung in einer Musikschule und autodidaktischem Lernen. Vila ist die einzige, die ihr Instrument, die Geige, auch tatsächlich studiert.
Iwan: Ob Autodidakt oder Musikschüler, war auf jeden Fall auf uns alle zutrifft ist die Tatsache, dass wir uns intensiv mit unseren Instrumenten auseinander gesetzt haben und setzen.
Finn: Richtig! Die Leidenschaft für das Instrument und die Musik ist wohl im Endeffekt auch das Wichtigste, denn ohne die würde jede Melodie, jeder Lauf, jedes Fill mehr der Selbstdarstellung dienen, als dem Lied.
Gesamtgesellschaftlich scheinen die „inhaltlichen Pole“ auch weiterhin auseinanderzudriften. Seht ihr in diesen Prozessen eine Verantwortung der Kunstschaffenden?
Iwan: Ich denke nicht, dass es grundsätzlich die Aufgabe von Künstlern ist, auf bestimmte Themen zu reagieren oder sich zum Sprachrohr bestimmter Richtungen und Sichtweisen zu machen oder machen zu lassen – das kann auch böse nach hinten losgehen. Zudem birgt das auch die Gefahr wie bei den Medien: Man erreicht viele Leute, präsentiert eine Meinung und hat so die Möglichkeit, Meinungen zu beeinflussen – finde ich nicht ganz ungefährlich. Dabei polarisiert man sehr schnell und hat statt eines Publikums möglicherweise zwei konkurrierende Lager, wird in eine bestimmte Ecke gesteckt. Schnell gibt es nur noch schwarz oder weiß, obwohl der Großteil des Lebens dazwischen stattfindet.
Ich sehe unsere „Aufgabe“ eher im Bereich der Unterhaltung: Wir wollen Freude geben und Freude haben, wir wollen mit den Menschen feiern, singen und lachen, wollen einfach ein paar Stunden gemeinsam Spaß haben. Den Spaß und die Freude haben wir zwar auch alleine, weil wir nicht einfach nur sechs Leute mit ihren Instrumenten sind, die auf der Bühne ihr Liedgut darbieten, sondern sechs Freunde, die füreinander da sind – musikalisch wie privat – und auf der Bühne das, was wir spielen, leben. Wir haben eine super Zeit zusammen und wollen daran alle, die das geschehen lassen wollen, Teil haben lassen.
https://www.youtube.com/watch?v=_Aj_1920gVQ
Wie ist der Kurs für die kommenden Jahre?
Finn: Das ist eine sehr gute Frage. Der Kurs wird ja nicht nur durch die Crew bestimmt, sondern auch durch die äußeren Umstände. Wir haben jetzt auf jeden Fall mal die Segel gehisst und den Kurs eingeschlagen. Ob wir im Endeffekt auch dort ankommen, wo wir hinwollen, wird sich zeigen.
Iwan: Bei der Bandgründung war MinnePack eine reine Marktcombo aus Spielleuten, die auch herumgezogen sind. Im Laufe der Zeit entstand der Wunsch nach einem Schlagzeug, was nicht Fernziel der Gründungsveranstaltung war (hab ich mir sagen lassen ;-)). Hierdurch ist MinnePack ein bisschen von der – sagen wir – „Markttauglichkeit“ und „Marktauthentizität“ weg- und näher zu festen und größeren Bühnen hingerückt. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, aber die Richtung und die Instrumente werden sicher ähnlich bleiben. Auf alle Fälle wünschen wir uns, dass die Zahl derer, die mit uns bei den Auftritten ein paar unbeschwerte Stunden verbringen wollen, die Zahl derer, die mit uns tanzen, singen, lachen und feiern wollen, zunimmt.
Zwischen Übersetzungen von Traditionals und gänzlich eigenen Texten bewegen sich die Inhalte tendenziell im mythischen und klischeeisiertem Raum?! Was bewegt euch inhaltlich zum Schreiben?
Iwan: Die Geschichten, die wir in den Liedern erzählen, muss eine Chronologie haben und darf nicht aus lauter aneinander gereihten Zeilen bestehen, die sich praktischerweise irgendwie reimen. Genau das ist es: Wir erzählen Geschichten, Märchen, Sagen, die vielleicht manchmal auf die heutige Zeit projezierbar sind, aber grundsätzlich nicht im Hier und Jetzt spielen. Das hat meines Erachtens die ganz große Fähigkeit wie beim Sport auch, Leute mit unterschiedlichen Meinungen und politischen Ansichten zu vereinen und so vielleicht einen kleinen Beitrag zum „Miteinander“ zu leisten.
Finn: Richtig! In unseren Texten finden sich in Geschichten verpackt immer wieder Kernpunkte wie Freundschaft, Gemeinschaft, Humor, Verlässlichkeit… Werte, die für uns wichtig sind. Und wie vorhin schon erwähnt ohne erhobenen Zeigefinger. Wir wollen niemanden bekehren, sondern für ein paar Stunden die Alltagssorgen vergessen lassen und unsere Hörer zum Träumen, Nachdenken und vor allem Lächeln bewegen …
Iwan: … und für ein grimmiges Gesicht muss man viel mehr Muskeln anstrengen als für ein Lächeln… ?
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