„Freiheit besteht vor allem darin, das zu tun, was man nach seinem Gewissen tun soll.“
Das hat nicht nur Albert Schweizer einst erkannt, sondern auch die Musiker der Stendaler Band Nobody Knows. In ihrem 15. Bühnenjahr und kaum ein Jahr nach ihrem Tucholsky Album Drei Minuten Gehör bringen sie mit ihrem aktuellen Album Urbane Camouflage nicht nur ihr 13. Studioalbum auf den Markt, sondern brechen darin auch mit ihrer ursprünglichen Ansicht sich aus politischen Gegebenheiten herauszuhalten und servieren in zwölf zumeist ansteckenden Liedern ihre wohl deutlichste musikalische Entwicklung innerhalb der Bandgeschichte. Geblieben ist dennoch eine Gewohnheit: irgendwann zuckt es in den Füßen.
Einfach zuhören geht allerdings auch: Dann fallen außer lebendiger Ursprünglichkeit und mitreißender Spielfreude vermutlich der druckvolle Gesang mit rauchiger Stimme von Frontmann Max Heckel, der fröhliche und vielseitige Instrumenteneinsatz und vor allem die offenen Texte mit Wortwitz und Wortspielereien auf. Texte, die sich wie im Bürgerlied gegen Fremdenfeindlichkeit und drohende Rechtsradikalisierung richten oder sich dem zunehmenden Wahn sprachlicher Unsinnigkeiten wie in Political Correctless annehmen.
Offene, geistreiche Worte, mit einer breiten Mischung aus Charme, Frechheit und Weitblick, geschickt und mit viel Geist in Reime umgesetzt, die letztendlich in vielen großen und kleinen Bereichen nur das ausdrücken, was viele denken oder jeder an sich selbst bereits schon einmal erkannt hat.
Dass es an vielen Stellen an Mut fehlt, diese Themen unseres Alltags anzusprechen und es nur zu oft leichter fällt sich hinter einer gesellschaftlich bequemen Maske zu verstecken, scheint Max Heckel als Texter und Komponist aller Lieder inspiriert zu haben, genau jene Maske fallen zu lassen. Eine Demaskierung, die sich nicht nur in den Texten, sondern auch durchgängig im Albumtitel, Cover und im Booklet widerspiegelt. Schattenspiele mit und ohne Maske und wie gewohnt mit allen Songtexten im Booklet.
Musikalisch trumpft das Album durch außergewöhnliche Arrangements mit überraschenden Wendungen und einer stilistischen Vielfalt auf. Country und arabische Klänge im Bürgerlied, Tango und üppiger Bläsereinsatz im Türstehertanz, sanfter Rhythmus und eine deutlichere Mehrstimmigkeit in Sansibar. Ein Cocktail aus Polka, Folk, Pop, Circus-Swing und Rapp definieren einen ureigenen Musikstil, der mühelos das Einordnen in ein Genre ad absurdum führt und alle Nicht-Türsteher unweigerlich zum Tanzen auffordert. Still sitzen unmöglich und nicht gewollt.
Man kann der Band die offenen, zeitweise karikaturistischen und ironischen Worte jedoch nicht übel nehmen. Nach elf Titeln Einblicke in kleinstädtische Rollen und Klischees, in Offenbarungen eigener Vorlieben und Erfahrungen, versäumen sie es nicht, sich mit einem Augenzwinkern auch über sich selbst lustig zu machen. Häschtäck WhoopWhoop zentriert am Ende des Albums die ganz besondere Art von Bandhumor, in denen eingefleischte Fans die eine oder andere Anspielung schmunzelnd wiedererkennen werden. Alle anderen An- und Einspielungen werden nur der Band selbst geläufig sein und zeigen, dass sie hauptsächlich eines im Sinn hat: Kritik, Spaß und Ernst ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Spielfreude und Bewegungsdrang, in Kopf und Beine der Zuhörer zu übermitteln. Ein Vorhaben, welches mit Urbane Camouflage bestens gelungen ist.
Titelliste:
- Nicht polyglott
- Cola
- Bürgerlied
- Was ich hier noch soll
- Watt wa wolln
- Political Correctless
- Sansibar
- Fleisch
- Türstehertanz
- Postpubertäres Geigenspiel
- Kanalisierte Aufmerksamkeit
- Häschtäck WhoppWhopp