Mit wuchtigen E-Gitarren-Riffs eröffnet der neue Silberling der Formation von MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN, das unter dem Namen „PLANKROCK“ erschienen ist und seinem Namen alle Ehre macht. Konzeptalben sind bisweilen schon recht schwere Kost, nun sei also dem Herren Hurley auf den Authentizitätszahn gefühlt.
Mit Geißel der See findet das eröffnende „Intro“ seinen Anschluss, offenbart stahlbesaitete Gitarrenakkorde bei deutschsprachigem Gesang, ehe sich Bass E-Gitarre, Schlagzeug und Akkordeon in den illustren Reigen mischen. Zu jeder Strophe pausieren die wuchtigen Instrumente, so dass der Text, umrahmt vom spielfreudigen Akkordeon, genügend Freiraum zugestanden wird, sich zu entfalten. Pünktlich zum Mitsing-Chorus wird dann das komplette Kompendium akustischer Wirkmacht aufgefahren, um der besungenen stürmischen See ein hörbares Gewand zu verpassen. Mit übermäßig gewichtiger Stimme berichtet das Interludium:
Und wenn ich vor meinen Schöpfer trete,
dann wird er sagen: „Edler Herr,
zum Paradies geht’s geradeaus,
dort ist die Pforte, bitte sehr.“
Dann werde ich ein bisschen traurig.
Bin ich doch böse und infam.
Ich sag dem bärtigen Kerl:
„Der muss mich wohl verwechselt haben.“
Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Klischee und Authentizität überdeutlich. So schließt der Refrain mit „Der Teufel wird sich freuen, mich zu sehn“ und drückt dem bis dato ironisch interpretierbaren Text das deutliche Diktum des Wollens auf. Auch die nachfolgende Ode betont den Duktus des harten Seemanns – Freunden der Formation mag der kultivierte Seemannsstil wohl gefallen, als Ersthörer pervertiert hier die Idee zum Wesensmerkmal.
Dabei zeugen Arrangement, Instrumentation und Vielstimmigkeit von einem respektablen Handwerk – alle sind jedoch durchdrungen vom Stereotyp, dem sich die Pulveraffen verschrieben haben. Zwischen zarten und brachialen Tönen beweist die Band vielfach ihren Sinn fürs Detail, lädt gleichermaßen zum Schunkeln, zum Mitsingen aber auch zum exzessiven Tanzfieber ein.
Freunden der Formation wird dieses Album gewiss gefallen. Als Ersthörer stößt mir vor allem eines auf: Dieweil sich Folk vielfacher stilistischer Blüten erfreut, kultivieren zunehmend Bands Kitsch, dem sie nicht gerecht werden können. So kleiden sich diverse Bands zunehmend in Handwerkermanier und versuchen, eine Innung und mit ihr eine Idee zu repräsentieren, der sie nicht zugehörig sind – denn ein Musiker ist in erster Linie Musiker – und nicht Pirat. In Zeiten armwedelnder Depp-Klischees mag sich das vorzüglich verkaufen. Wer jedoch noch authentischer Musik sucht, ist mit „PLANKROCK“ falsch beraten. Leider beweist dieses Album, dass sich jede Idee, wenn sie zum Selbstzweck umgesetzt wird, selbst ad absurdum führt. Wer also Lust auf vermeintlich harte Kerle, Besäufnisse, Weiber („Hausverbot im Puff“) diabolischen Stereotypen und Glücksspiel hat, wird den Achttitler lieben.
Postskriptum: Womöglich wäre das Klischee mit etwas ironischer Elastizität besser bekömmlich, aber das müsste auch der Text zulassen.
Titelliste
- Intro
- Geißel der See
- Ode an die Lightning
- Die Legende von Daisy Jones
- Blau wie das Meer
- Auf den Captain
- Küss mich, ich hab‘ Skorbut
- Gold allein
Andernorts und vor allem ohne den dieser Besprechung zugrunde liegenden Ansatz erfährt das Album womöglich gänzlich uneingeschränktes Lob. Dass dies hier nicht der Fall ist, gefällt mir. Wohl weil ich alles mag, was mich selbst zum Denken anregt.
Ein Postskriptum auch von mir: Die Lust aufs Reinhören ist ebenso geweckt. Alles bestens also.