Warum so weit in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegt? Es liegt in der Sicht des Betrachters, ob man für eine Reise nach Irland erst den Ärmelkanal überqueren muss, oder es musikalisch einen direkteren Weg gibt.
Die Kilkenny Band um Gründer Jascha Kemper geht diesen direkten Weg bereits seit fast 10 Jahren. Ursprünglich als Schülerband gegründet, befindet sich die Gruppe in ihrer aktuellen Besetzung auf einen stetigen Weg nach oben. Das liegt sicher nicht nur daran, dass Dennis Fehlauer sein Instrument an der Uni studiert hat, Raphael Schmidt enormes Improvisationsvermögen einbringt, oder Shawn Hellmann als Multiinstrumentalist dafür zuständig ist, immer genau das Instrument spielen zu können, was gerade nötig ist. Es liegt wohl auch an ihrer offenen Art, an dem kleinen Schuss Selbstironie und dem nötigen Pepp und Mut traditionell arrangierte irische Musik einen jugendlicheren Geist einzuhauchen. Und klar: Singen können sie auch.
Nachzuhören ist das auf ihrem aktuellen Album Roving, auf dem die Band in 14 Songs all das auffährt, was spätestens seit den Pogues und den Dubliners auf allen Kontinenten des Erdballs für ausschweifende Tanzorgien sorgt. Allerdings haben sich die vier Musiker, im Gegensatz zu den Mannen um Shane MacGowan, eher für den adretten Weg entschieden. Punkig geht es auf dem Album eher selten zu. Stattdessen wird sich mit typisch irischen Instrumenten und mit dem erweiterten Sound eines E-Basses, frech fröhlich ausgelassener Pub Atmosphäre hingegeben.
Dabei geht es in dem fröhlichen Treiben gar nicht immer nur um Spaß. Der Opener Mc Aline´s Fusiliers bietet einen satirischen Blick auf das Leben und Werken irischer Arbeiter, die in der Zeit um den zweiten Weltkrieg nach Großbritannien eingewandert sind, und wird dennoch von den Musikern mit so viel Energie vorgetragen, dass man Aufbruchsstimmung und Enthusiasmus nachvollziehen kann. Der nachfolgende traditionelle Song Streams Of Whisky bietet dagegen keine wirklichen Überraschungen. Anders hingegen Rambling Rover und Fare away, die durch den schnelleren Rhythmus frischer als das Original wirken.
Dass die Musiker der Kilkenny Band durchaus mehr zu bieten haben, als gute Laune, beweisen sie in den mehrstimmig gesungenen Balladen Caledonia und Red ist the Rose. Beides Songs, die durch ihren bekannten Ursprung immer schwer zu covern sind. Eine Hürde, die durch den perfekten und warmen Gesang, sowie der zurückhaltenden Instrumentierung, mehr als vortrefflich genommen wurde.
Insgesamt bietet Roving für alle Freunde der irischen Musik fast 45 Minuten abwechslungsreiche Musik mit einer perfekten Auswahl traditioneller Stücke und Lieder, die zwar bekannt, aber dennoch nicht oft gehört werden. Nichts ist langweiliger als die 100 te Version von Molly Malone. 45 Minuten, die gute Laune machen und deren Spielfreude die Füße selten still stehen lassen. Wenn es an dem sauber produzierten Album mit einem sehr ansprechenden Booklet überhaupt etwas auszusetzen gibt, dann die Tatsache, dass die Band sicher nicht all ihr Potenzial genutzt hat. Denn trotz aller Energie und Spielfreude wartet man auf eine Art Explosion, die man förmlich spürt und die sich dann doch nicht traut. Unverständlich, und vielleicht braucht es nur ein ganz klein wenig mehr Mut für intensivere Eigeninterpretationen und eine Hand voll eigener Song, die den eigenen, sichtbaren und erfrischenden Stil voll zur Geltung bringt.
Und um noch einmal kurz auf die Reiseroute nach Irland zurückzukommen: 45 Minuten – schneller und besser kann man nicht in einen irischen Pub reisen.
Titelliste:
- Mc Alpine´s Fusiliers
- Streams Of Whiskey
- Rambling Rover
- Far Away
- Caledonia
- Shawn´s Shuffle
- Touch The Sky
- Galway Girl
- Rocky Road To Dublin
- Tall Ships
- Molly Maguires
- Red is The Rose
- The Dawn
- Seldom Sober