Das mit der Erwartungshaltung ist so eine Sache. Denn wie lässt sich ein Debütalbum toppen, das wie eine Bombe einschlug, und wie eines, welches kurz vor Platin steht? Dass es geht, beweisen die vier norwegischen Musikerinnen der Band Katzenjammer mit ihrem dritten Album Rockland. Dabei agieren Anne Marit Bergheim, Turid Jørgensen, Marianne Sveen und Solveig Heilo zum ersten Mal als Haupt-Songwriterinnen und beweisen sich dabei als mindestens ebenso talentiert wie bei der Bedienung ihrer musikalischen Werkzeuge.
Von den ursprünglich 83 Songs, die im Laufe ihrer Reise durch die Länder entstanden sind, haben es elf auf das aktuelle Album geschafft und mit diesen feuern die vier Norwegerinnen wieder einen furiosen Genre-Mix ab. Bluegrass, Folk Rock, charmant reduzierte Pop-Balladen, Blues, Rap-Sprechgesang und Irish Folk erzeugen alles, nur keine Langeweile. Der Abwechslungsreichtum ist ihnen also nicht abhandengekommen und die Komplexität der einzelnen Stücke sowie die Freude am Experimentieren haben an nichts eingebüßt.
Den Anfang macht die eingängige Bluegrass-Nummer Old De Spain, gefolgt von folkrockigen Tönen bei Curraceous Needs. Dem Blues wird mit Driving After You Tribut gezollt und My Dear punktet mit fröhlichem Irish Folk. Mitsingen garantiert. Auch Lady Grey lädt zum Mitsingen ein, allerdings sollte man sich ein wenig Zeit für den Text lassen. Ein wunderbarer Titel über ein gelebtes Leben und über den Bestand von Persönlichkeit über das Vergessen von Alter und Krankheit hinaus.
Einen kleinen Tribut an ihre nordische Heimat zollen die vier Damen in My Own Tune, singen sie hier doch eine Strophe auf Norwegisch.
Wer bei dem Titelsong Rockland eine weitere rockige Nummer erwartet, irrt, denn zum Abschluss gibt es leise Töne und entgegen der sonstigen Instrumentenvielfalt wirkt hier in den Strophen klarer Gesang, der im Refrain durch den vierstimmigen Harmoniegesang der Musikerinnen eine ganz eigene und gelungene Dynamik entwickelt. Er ist zum Teil an das Gedicht „Howl“ von Allen Ginsberg angelehnt, der kurze Zeit in einer Psychiatrie verbracht hat, die er selbst Rockland nannte und nun für das Bandethos steht, sich nicht in eine Schublade ablegen zu lassen und sich selbst eher als individuelle Außenseiter zu bezeichnen. Mit Lady Grey und My Dear der dritte Song, der lebensnahe und menschliche Fragen mit musikalischer Leichtigkeit direkt ins Herz und in den Gehörgang projiziert.
Wer mit Individualität und Entwicklung umzugehen weiß, kann sich in Sachen Erwartung entspannt zurücklehnen und ein erstklassiges Album genießen. Rockland ist kein zweites „Le Pop“, in dem es eher zirkushaft hoch und runter ging, sondern ein unabhängiges Album, welches für jeden Geschmack etwas bietet, sofern man sich darauf einlässt. Ein Album, mit dem Katzenjammer meines Erachtens einen Sprung in eine andere Liga schaffen, ohne ihren Werten untreu zu werden. Apropos treu. In einem Bereich findet sich Altgewohntes, denn auch dieses Booklet ist minimalistisch und ohne Songtexte. Aber ist das ein Grund zum Jammern?
Titelliste:
- Old De Spain
- Curraceous Needs
- Oh My God
- Lady Grey
- My Own Tune
- Shine Like Neon Roys
- Driving after You
- Flash in the Dark
- My Dear
- Bad Girl
- Rockland
Sehr schöner beschwingter Folk……
Ja, Lady Grey ist wirklich ein gelungenes Stück. Aber die CD bietet auch eine Abwechslung 🙂
Hallo Cera,
du hast mich neugierig gemacht!
so soll das sein Jens 🙂
Eine schöne Rezension, danke dafür. Lady Grey habe ich schon mehrmals gehört, jetzt freue ich mich noch mehr auf die anderen Lieder. Die CD befindet sich schon länger im Warenkorb, es wird Zeit auf „Bestellen“ zu klicken.