Vorab meinen herzlichen Glückwunsch zum filmischen Kleinod „Halt“. Wenn ich nicht irre, dürfte das das erste Musikvideo der Band im Aufbau sein, das derart aufwendig produziert wurde. Was war die Motivation für die Produktion?
Anna Maria Zinke: Danke. Die Motivation wuchs aus der Begegnung mit Tanja, einer mazedonischen Filmeditorin und Musikerin, die für ein Jahr in Halle wohnte und arbeitete. Ende letzten Jahres trafen wir uns irgendwann mal zu einem Kaffee, um über gemeinsame Projekte zu sprechen und die Wellenlängen passten. Tanja, die schon einige Musikvideos gemacht hatte, fragte, ob ich einen Titel hätte für ein Video und ob ich auf so was Lust habe – und so begann der Prozess. Es war eine sehr angenehme und entspannte Zusammenarbeit und der Beginn einer Freundschaft. Tanja ist inzwischen zurückgekehrt nach Mazedonien, doch wir haben beide Lust auf weitere Musik-Projekte. Ich bin gespannt!
Wo sind die Aufnahmen entstanden?
Die Aufnahme-Orte sind ein großer See in der Nähe von Halle und das Künstlerhaus Goldener Pflug im Zentrum von Halle. Dass in irgendeiner Form Wasser vorkommen sollte, war schnell klar – ich bin an der Ostsee aufgewachsen und habe einen großen Hang zu Meer und Wasser – und es war auch in Tanjas Sinne – ihr Markenname ist „the other fish“. Über Affinitäten musste also garnicht erst diskutiert werden. Ich habe einige Orte um Halle gebrainstormt, bin herumgefahren und habe Photos gemacht. Der Wallendorfer See, an dem ich auch sonst gern bin, hat dann „gewonnen“. Für die Innenaufnahmen bot sich das Künstlerhaus Goldener Pflug an, in dem ich auch, neben ca 15 anderen Künstlern, meinen Arbeitsraum habe. Es ist ein sehr altes und schönes Gebäude und ich bin und arbeite einfach gern dort. Es ist ein beruflicher und auch gemeinschaftlicher Stützpunkt.
https://www.youtube.com/watch?v=mp5ue8sFf9E
Die Band im Aufbau ist in der Grundbesetzung doch ein Duo, nicht wahr? War die Entscheidung, „Halt“ in voller Besetzung akustisch und optisch darzubieten, eine rein ästhetische?
Nicht direkt. Es ist sozusagen Teil des Bandkonzepts. Es ist richtig, die Grundbesetzung – oder das Fundament der Band besteht aus Simon und mir. Wir spielen oft als Duo. Hin und wieder kommen jedoch weitere Musiker hinzu und spielen bei einzelnen Veranstaltungen mit – das ist dann abhängig von verschiedenen Faktoren. Insofern ist Teil des Bandkonzept ein flexibles Miteinander, wodurch auch mal Neues entstehen kann und altes erweitert wird. Der Band-Name „Band im Aufbau“, der ja ursprünglich ein Arbeitstitel war, ist somit auch ein bisschen Programm.. wobei es ja nicht nur Aufbau ist, sondern auch ein Form von Wandel. …Umbau?
Im Video spielt zum Beispiel Jan Grünfeld mit, der Gründungsmitglied der Band ist. Mit ihm habe ich eine ganze Weile im Duo gespielt, seine und meine Stücke, bevor Simon dazukam als Perkussionist und dritter Band-Mann. Dann musste Jan aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten und nun spielt er oft als Gast-Bass bei Konzerten in Halle mit. Auch für Berlin bahnt sich ein Gast-Bassist an. Markus, der Gitarrist und Trompeter, war auch schon öfter dabei und ich habe mit ihm auch in anderen Projekten gemeinsam gespielt. Katrin war zum ersten Mal dabei. Bis kurz vor dem Video wusste ich garnicht, dass sie Altflöte spielt. Bei einer Session holte sie sie plötzlich raus, und ich fragte spontan, ob sie nicht beim Video mitmachen wolle. Die Menschen im und um das Video sind auch Freunde – und das war für die Gesamtgeschichte wichtig. Das Gemeinsame, das „mit anderen Musik machen“ steht dem Alleinsein und dem „mit sich Musik machen“ gegenüber. Dies erweitert gewissermaßen auch den Sinn des Liedes..
Bei Liedermachern und allen Textproduzenten wird eifrig unterstellt, das künstlerische Produkt wäre notwendigerweise Ausdruck eigener Empfindungen und Erlebens? Ist dem so?
Naja, was ich nicht erlebt habe, kann ich schwer beschreiben. Insofern mag da was dran sein, ich würde es aber nicht zwangsweise so pauschal und direkt sehen. Eher wie: das eigene Erleben und Empfinden als mögliche Quelle einer Inspiration. Nicht alles, was ich beschreibe, habe ich genauso erlebt. Manches ist hinzugedacht, ergänzt, verändert oder gar verdreht. Im Lied bekommen Inhalte eine eigene Form und Struktur. Das bringt die Inhalte gewissermaßen in Abstand zu mir selbst. Logischerweise ist das für mich ein guter Weg, mich z.B. mit Erlebtem und Empfundenen (ob von mir oder anderen) neu ins Verhältnis zu setzen, es vielleicht auch zu untersuchen und zu hinterfragen.
Wenn ich das Lied dann in den öffentlichen Raum stelle, erhält es ein Stück subjektive Allgemeingültigkeit, wenn es so was gibt. Mit diesem „ausformulierten Status Quo“ können dann andere in welcher Form auch immer und auf welcher Ebene auch immer in Relation gehen (mag ja auch immer das Wort andocken..), wenn sie mögen.
Bei Halt zum Beispiel geht es auch um den Versuch, die Perspektive eines anderen Menschen zu verstehen. Vielleicht kann man sagen, im Lied denke ich darüber nach. Ob es diesen Menschen, eine Beziehung mit ihm und ein dazugehöriges Erleben so gibt, ist für das Lied als „Endergebnis“ nicht mehr wichtig. Am Ende hört jeder das Lied anders und bringt es vielleicht irgendwie mit seiner eigenen Geschichte in Verbindung. Oder auch nicht. Ich denke, es ist nicht immer ausschlaggebend, wo ein Lied herkommt. Interessant ist doch, was es macht. Und wenn es eben doch mal eine Rolle spielt, erzähl ich gern die Geschichte dazu, wie z.B. bei Mall Lane.
Wie gestaltete sich die Produktion? Habt ihr an einem Tag alles gedreht? Wer war für Idee und Umsetzung verantwortlich? Wie war die Zusammenarbeit?
Das sind ja gleich vier Fragen auf einmal! Die Produktion und die Zusammenarbeit mit allen war angenehm und effektiv. Die meisten Leute kannte ich bereits und sie kannten sich untereinander – und alle neuen Begegnungen waren bereichernd. Auch David vom Chagooprod Studio in Halle, bei dem wir das Lied aufgenommen haben, war sehr offen und geduldig, wenn ich im Nachhinein noch mit diesen und jenen Veränderungswünschen ankam. Da er Franzose ist, sprachen wir dort englisch mit deutschen Füllwörtern und französischen Zwischenteilen. Am Film-Set sprachen wir meist Englisch wegen Tanja. Es war also eine wunderbar internationale Produktion.
Zum Drehen brauchten wir insgesamt drei Tage. Einen Tag am See. Wir hofften auf blauen Himmel, doch es war und blieb komplett weiß. Was sich im Nachhinein jedoch als ästhetisch vorteilhaft erwies! Zwei Tage filmten wir im Goldenen Pflug. An einem Tag mit den Gastmusikern und an einem mit der „Grund-Band“, wobei hier Jan Bass spielt, aber der gehört ja auch zur Bandgeschichte. Schwer zu sagen, dass irgendjemand allein verantwortlich war für Idee und Umsetzung. Die Impulse kamen aus verschiedenen Richtungen. Tanja warf die Idee zum Musikvideo in den Raum. Ich überlegte Titel und Konstellation und dachte über das Wie nach. Es gab immer wieder Gespräche und Ideen. Ich habe viel organisiert und verstanden, wieso Projektmanagement ein eigenes Berufsbild ist… Tanja und ich haben eng zusammengearbeitet, auch beim anschließenden Schnitt, bei dem dann auch Simon noch dazukam. Als Low-Budget-Produktion lief das Ganze, abgesehen von der Studio-Aufnahme, ohne Geld – und lebte von Lust und Engagement aller Beteiligten. Dafür auch an dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön!
Homepage | Facebook | Bestellen