Dass die Gleichung der Zwanziger Jahre in Kombination mit echter handgemachter Musik durchaus auch in unserer heutigen Zeit aufgehen kann, hat bereits Max Raabe mit seinem Palastorchester bewiesen. Wer kennt schließlich nicht den kleinen grünen Kaktus? Dass es aber dazu nicht gleich immer eines ganzen Orchesters bedarf, beweist die Band friling aus dem Osten Deutschlands.
So tummeln sich die fünf Musiker Lisa Zwinzscher (Gesang), Linda Gossmann (Geige), Philipp Wiechert (Gitarre) ,Georg Metzner (Piano, Posaune, Percussion) und Sebastian Braun (Bassist) in einer Nische aus Gipsy Swing, Jazz, Tango und einem Hauch Elektro Swing und machen daraus ihren ganz eigenen Mix. Das wiederum mit so viel Erfolg, dass sich die Band innerhalb weniger Jahre aus verruchten Bars zu Auftritten in größeren Konzertsälen gespielt hat. Da ist es mehr als gerechtfertigt, dass nun die mit Hingabe und nächtelang in einer Küche von Linda geschriebenen Songs auf ihrem Debütalbum The Mighty Monsieur Moustache endlich einen Platz gefunden haben.
Bereits das Cover verrät eine kleine Zeitreise in die Anfänge des vergangenen Jahrhunderts und lässt den Hörer ahnen, worauf er sich einlässt. Die musikalische Einladung erfolgt im The Opening. Stilecht mit zunächst einschmeichelnder Stimme und nur von einem Kontrabass begleitet, versprechen der anschließende Einsatz der Blasinstrumente und die explodierende Stimme von Lisa Zwinzscher eine Show ganz im Sinne eines New Yorks vergangener Zeiten. Swing ist die Maxime des Abends und regiert, wenn schon nicht mit eiserner Hand, dann doch mit einem entschlossenen Blick in Richtung Tanzfläche.
Nicht umsonst erfuhr die Swing Epoche der zwanziger Jahre seine große Popularität durch ihre Tanzbarkeit und ihrem vollen Klang. In keiner Ära näherten sich Entertainment und Kunst mehr an als in dieser. Und die Umsetzung des Themas gelingt den Musikern in den nachfolgenden Stücken durchweg in einem qualitativ hochwertigen Stil. Dabei spielt die Band begeistert mit Tempo und Rhythmus, dass es nur so kracht und in den Füßen kribbelt. Ganz nebenbei wird dem klassischen Tango in Escape From The Circus eine besondere und moderne Note mit elektronischer Gitarreneinlage und Lautsprecherdurchsage verpasst, bevor sich die sonst den rhythmusangebenden Instrumente wieder in den Vordergrund schleichen. Diese Art des Tempowechsels gelingt auf besondere Weise, wirkt weder gestückelt, unharmonisch oder gar fehl am Platz. Im Gegenteil.
Gesungen wird vom Zirkus-Ausbruch der Rosie Miller bis hin zum Eifersuchtstanz mit dem Teufel und jeder ist gut beraten, der gute Tanzschuhe und eine ebensolche Kondition hat.
In Whats With That Jazz wird der Jazz mit einer Liebeserklärung gehuldigt. Es ist nicht die einzige Huldigung. Das Album, sowie der Titelsong The Mighty Monsieur Moustache, ist eine Hommage an Django Reinhard, dem Begründer des Gypsy Swings mit einer einzigartigen Spieltechnik und eben diesem unvewechselbaren Schnurrbart.
Neben den Eigeninterpretationen finden sich mit I’m Gonna Live Till I Die, Whatever Lola Wants, Sing Sing Sing (Party With A Swing) auch drei Originale, die trotz ihres Alters in der dargebotenen Umsetzung keineswegs verstaubt klingen.
Auch wenn die Band ihre 12 Titel des Albums in einem für viele Hörer ungewohnten Genre präsentiert, handelt es sich doch um ehrliche, echte und mit viel Leidenschaft gespielte Songs, die in ihrem eigentlichen Sinn nichts an Aktualität verloren haben. Die offenen Texte spiegeln menschliche Passion und Hingabe, die es einem einfach machen, dem Esprit dieser Zeit zu folgen. Ohne diese spürbare Leidenschaft wäre dieses, frei vom Einfluss des Konsum Musikmarktes produziertes Album, sicher nicht das geworden, was es schlussendlich ist: Eine faszinierende Reise in eine andere Welt mit einem ganz eigenen Zauber.
Titelliste
- The Opening
- What´s With The Jazz
- Monsieur Moustache
- Escaped From The Circus
- Friling Wants You To Dance
- Scattle
- Panic Dance
- Sing, Sing, Sing (Party With A Swing)
- Whatever Lola Wants
- Cookies in New York
- I´m Gonna Live Till I Die
- April´s Walk
Feine Worte hast du gefunden! (Hach, ich mag deine Rezensionen.) Und nun bin ich sehr gespannt aufs Kennenlernen von Band und Musik – live in Seehausen, beim Dritten Liedermacher- und Kleinkunstfestival am 22. November.
Auf bald, hier oder anderswo …