Zu ihrem nunmehr vierten Album präsentierten sich Emily Barker und die sie umgebende Formation im März in Deutschland und gleichwohl es für einen Live-Besuch in den heimischen Gestaden bereits zu spät ist, soll der Silberling „Dear River“ im Folknews-Rahmen nicht dem Vergessen anheim fallen.
Heimat bedeutet für jeden etwas anderes. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, wo man herkommt. Ich kam mal mit einem Taxifahrer von irgendwo in Nordafrika ins Gespräch, der seit 30 Jahren in London lebt und der darauf beharrte, dass London seine Heimat sei und er niemals mehr fortgehen wolle, weil er diese Stadt über alles liebe.
Ebenso sehnsüchtelnd und diffus mäandert der Vierzehntitler durch unterschiedliche Genre, die in erster Linie dem Pop verpflichtet scheinen. Der Namengeber, Dear River, eröffnet das Album mit beschwingten Sanges- und Gitarrenlagerfeuertönen, ehe, durch Bass und Schlagzeug getragen, die Band in countryesker Popmanier hinzukommt. Die folkloristischen Einflüsse bleiben jedoch akustische Farbtupfer, die dem Gesamtpaket jedoch sehr gut tun. So ist die Fiddle in Dear River durchaus ein Hinhörer, trotzdem sie eher beiläufig dargeboten wird.
Mit Tuesday werden melancholische Töne angeschlagen, die insbesondere durch das Akkordeon durch die Takte getragen werden. Das Schlagzeug shufflet sich beinahe heiter über den zunehmend leidenschaftlichen Gesamtsound hinweg und verleiht dem Stück somit die notwendige Würze, um nicht dem Kitsch zu verfallen. Die Stimme EMILY BARKERS, die sich gern auch selbst in Terzen unterstützt, dominiert das musische Geschehen jederzeit und gibt nur zu kurzen Instrumentalzwischenspielen das eigene Gewicht aus der Hand.
Sprachaffine Englischfetischisten können in den Texten Barkers womöglich mehr entdecken als all jene, die wie ich, die Stimme nur als Medium der Musik begreifen. Mit Letters säuselt sich Barker und ihre Band durch eine beinahe wehleidige Ballade, die musikalisch wenig überrascht, jedoch der Vokalleistung und einer im Hintergrund vor sich hinschmachtenden Orgel genug Raum einräumt.
So setzt sich das Album fort: Rhythmisch zumeist in geerdeten Gestaden, wohlgefällig popesk und dann und wann ein wenig folkloristisch. Ein echter Hinhörer bleibt in dem illustren Treiben zwar verborgen, dennoch bietet das Album „Dear River“ wohlgefälligen Kuschel-Folk-Pop, der zwar nicht durch aufregende Raffinesse, jedoch durch Beständigkeit und das gekonnte Vermeiden der Grenzüberschreitung zum Kitsch überzeugt.
Titelliste
- Dear River
- Tuesday
- Letters
- Everywhen
- Sleeping Horse
- Ghost Narrative
- A Spadeful Of Ground
- The Cormorant And The Heron
- In The Winter I Returned
- The Blackwood
- Fields Of June
- The Rains
- Nostalgia
- Every Season
Spätestens nach dieser, nicht zuletzt mit großem Vergnügen zu lesenden, Rezension – danke, Max! – komme ich nun wohl nicht umhin mehr hören.
Tolle Musik und tolle Stimme macht Lust auf mehr!