Mit Vorlieben ist das so eine Sache. Sie kommen und gehen. Traditionen hingegen vermögen durch ihre Beständigkeit Halt und Geborgenheit zu vermitteln. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei winterliche Bräuche und Traditionen um die Weihnachtszeit ein. Den einen verhasst, den anderen fest verankert und kindliches Wohlbefinden heraufbeschwörend.
Ein Weihnachtsalbum zu hören, wenn draußen noch die Blätter an den Bäumen hängen, mag am Anfang genauso befremdlich sein, wie im Sommer ins Studio zu gehen und sich in winterliches Brauchtum zu versetzten. Dennoch schaffen es die drei Musiker aus Halle von Bube Dame König, auch bei Temperaturen deutlich höher als dem Gefrierpunkt, mit ihrem zweiten Album Winterländlein die Welt für einen Moment anzuhalten und ihre Zuhörer mit auf eine Reise quer durch winterliche Fantasien zu nehmen.
Der Blick auf die Titelliste zeigt zunächst nichts Ungewöhnliches. Titel wie Von himmelhoch, da komm ich her und Maria durch ein Dornwald ging zeugen von bekannten Weihnachtsklassikern. Wie gesagt: zunächst. Rein optisch fallen im Booklet zu fast allen Liedern Widmungen auf. Entstanden dadurch, dass die Umsetzung des Albums durch eine Art Crowdfunding realisiert wurde, in der das Trio ihren Fans die Möglichkeit gaben, Lieder besonderen Menschen zu widmen. Rein musikalisch startet das Album mit fröhlichem Kinderlachen und trumpft im Opener Vom Himmel hoch durch deutlich schnellere Takte als erwartet. Das frische Tempo wird die nächsten drei Lieder beibehalten. Erst in Tauervögelein wird es etwas ruhiger. Ein wunderschöner, poetischer Song in der für die Band so eigenen Wortwahl, von der man denken könnte, sie stamme nicht aus dieser Zeit. Dabei stammt diese besondere Lyrik direkt aus dem 21. Jahrhundert! Verantwortlich dafür ist der Texter Thomas Kolitsch.
„Wann immer ich Texte für die Musik von Bube Dame König schreibe, ist es, als setzte ich eine besondere Brille auf, durch die ich die Welt ein ganz klein wenig anders sehe. Viele moderne Begriffe verbieten sich von selbst, und sind diese erst aus dem Bewusstsein verschwunden, dann öffnet sich in mir der Deckel einer alten Kiste und all diese wunderbaren alten Wörter dängen ans Licht.“
Es sind nicht nur die Worte, die den Lieder ihren besonderen Stempel aufdrücken. Die Stimme von Juliane Weinelt mit ihrem hohen Wiedererkennungswert, die frischen Arrangements, der Mut nicht im Mainstream zu schwimmen, all das führt zu einem Gesamtkunstwerk besonderer Güte.
Meine persönlichen Highlights sind die Lieder Bärenschlaf, deren Refrain Melodie an das englische Weihnachtslied Sweet Chiming Christmas Bells angelehnt ist, Knecht Ruprecht mit einem Flair und einem Rhythmus, dem man sich schwer entziehen kann und Feinslieb, bei dem der aufmerksame Hörer die Grundmelodie von O Tannenbaum, du trägst ein grünen Zweig erkennen wird. Allen gemein ist die Fähigkeit alt bekanntes und teils verschollenes neu zu interpretieren und zu kombinieren.
Instrumentiert mit Querflöge, Geige, Akustikgitarre und Drehleier verzaubert Winterländlein mit 13 Songs in einer perfekten Mischung aus traditionellen Klassikern, regionalen Wintersagen und eigene Songs. Dabei ist der Titel des Albums an dem Titel des Debütalbums Traumländlein angelehnt und lässt damit Raum für Spekulationen weiterer Alben einer Serie.
Ein empfehlenswertes Album, welches überrascht, entführt und erfrischend anders ist als der übliche, zu diesem Anlass meist dem Kommerz geschuldeten, Einheitsbrei. Ich fühle mich erfreulicherweise nicht erdrückt und erinnere mich angesichts der Kombination aus Leichtigkeit, Ruhe, Freude und einer Prise Schalk, in den Winter zurückversetzt, der mit kindlicher Wärme all die Freuden und Fantasien hervorbringt, die längst vergessen geglaubt waren.
Titelliste:
- Vom Himmel Hoch, da komm ich her
- Winterwind
- Kaspar, Melchior & Balthasar
- Trauervögelein
- Maria durch ein Dornwald ging
- Knecht Ruprecht
- Bärenschlaf
- Es ist für uns eine Zeit angekommen
- Vom Himmel hoch, o Englein kommt
- Stille Nach im August
- Stehn zwei Stern am hohen Himmel
- Stroh
- Feinslieb