„Wo sind eigentlich unsere ganzen Haushaltsgummis hin?“ Ups, da hatte ich wohl vergessen, den Einkaufszettel zu aktualisieren. Wie das eben so ist, wenn man jenseits aller alltäglichen Aktivitäten die Zeit in seiner eigenen Welt verbringt, ihr kennt das. Mit Tunnelblick, in Fachkreisen auch Bodhránglotz genannt, streift man durch die Wohnung, das Haus oder wahlweise den Geräteschuppen im Garten, um zu schauen, was man so von dem ganzen Zeug musiktechnisch mit verwursten könnte. In meinem Fall waren es also diesmal Haushaltsgummis. Man kann damit nämlich nicht nur gruselige Gesichter machen oder sie in der Gegend rumschnipsen, sondern auch ganz praktisch um Holztipper winden, damit diese einem nicht so leicht aus der Hand flutschen.
In dieser vorweihnachtlichen Woche beschäftigt uns also das Schlaggerät der Bodhrán – der Tipper. Die Antworten meiner Fokusgruppe der Nicht-Trommler zur Frage, welche Gedanken sie denn zu diesem ominösen Tipper hätten, fiel nicht minder eigentümlich als die in der letzten Ausgabe zur Bodhrán selbst aus:
„Wat, nur einer?“
„Oh, der ist aber hübsch gedrechselt; ich hatte ja früher auch mal eine Drechselbank und habe unsere Räuchermännchen selbst gemacht. Aber mit den Gummis sieht man ja kaum noch was vom Holz.“
„Wieso hast du denn so viele, wenn man nur einen braucht?“
„Der eine sieht aus wie zusammengebundene Stäbchen – da bekomm ich gleich Appetit auf chinesisches Essen.“
„Das soll auch einer sein? Ich dachte, das ist so eine kleine Bürste für empfindliche Oberflächen.“
Ihr seht, auch hier gibt es Erklärungsbedarf. Wer könnte hier besser Abhilfe schaffen, als der Tippermaker himself, Stevie Moises, der seine Drechslerkunst in der ganzen Welt vertreibt?! In einem kleinen Interview beantwortet er mir die brennendsten Grundlagenfragen zum Tipper:
Wie bist du – als Bayer – zur irischen Musik gekommen?
Tja, wenn man „bayrisch“ ist, dann ist das Wort „irisch“ ja schon mit drin!
Nee, Spaß beiseite, wenn man es genau betrachtet, hatte ich die ersten vierzig Jahre meines Lebens so gut wie gar nix mit irischer Musik zu tun. Ich spielte seit meiner Jugend Schlagzeug in verschiedenen Rockbands. Rockmusik war der Mittelpunkt meines außerberuflichen Lebens. Eines Tages kam dann ein junger Schreinermeister namens Christian Hedwitschak in meine Werkstatt, ich war mittlerweile schon lange als Drechsler selbstständig und kannte ihn schon ein paar Jahre, und hielt mir eine Rahmentrommel unter die Nase! Er sagte, dies sei eine Bodhrán und er baut diese selbst und dies sei die Trommel in der irischen Folkmusik. Nie zuvor hatte ich diese Trommel gehört oder gesehen. Er spielte mir ein paar Takte vor und schwupps war ich gefangen! Diese Trommel musste ich auch spielen lernen! Und das geht, zumindest am Anfang, halt fast nur mit irischem Folk. Die traditionelle irische Musik war dann am Anfang auch eine ziemliche Herausforderung für mich. Alles ganz anders strukturiert als bei der Musik, die ich bisher gemacht hatte. Aaaaber mittlerweile komm ich schon gut zurecht damit. Wenn man es also genau nimmt, dann bin nicht ich zur irischen Musik gekommen, sondern sie zu mir!
Was hat dich dazu bewegt, selbst Tipper anzufertigen?
Wie du dir schon denken kannst, war das die logische Folge des Zusammentreffens von Christian und mir. Er baut die Bodhráns und ich war Drechsler! Ich war Schlagzeuger! Schon immer drehte ich meine eigenen Sticks selbst! Also entwickelten Christian und ich die ersten Tipper!
Was gibt es denn so für Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zu Drumsticks?
Da gibt es nicht wirklich Gemeinsamkeiten.
Drumsticks braucht man zwei! Sie sind viel länger als Tipper, bis zu 430 mm! Das gewählte Holz muss zäh, elastisch und nicht zu schwer sein. Es muss sehr viel Kraft aushalten, sollte also lange Fasern haben, darf aber auch nicht steif sein, damit der Stick den Klang der Trommel nicht „tötet“, das heißt, das Fell beim ersten Zurückschwingen wieder daran hindert.
Beim Tipper haben wir ja eine ganz andere Schlagtechnik. Wir streifen das Fell nur, haben nur einen „Stick“, schlagen bei der Rauf- und Runterbewegung und spielen auch mit dem anderen Ende des Tippers. Deshalb sind Tipper kürzer, von ca. 200 mm – 270 mm, sie müssen nicht übermäßig viel Kraft aushalten, brauchen nicht unbedingt elastisch zu sein und sollten aber auch nicht zu schwer sein.
Und die Form des Tipperkopfes beeinflusst den Klang der Trommel ungleich mehr als beim Drumstick.
Welche Hauptkategorien/Arten gibt es bei Tippern und was macht diese aus?
Zuerst haben wir die Tipper aus Massivholz, welche in zwei Gruppen aufgeteilt werden.
- Double End Tipper, die sehr gut geeignet sind zum, wie der Name schon sagt, beidseitigen Spiel.
- Single End Tipper, die wiederum hauptsächlich mit nur einem Ende gespielt werden.
Diese Tipper verändern den Klang der Bodhrán nicht besonders und regen lediglich etwas mehr oder weniger die Bass- oder Höhen-Frequenzen an.
Dann gibt es die sehr beliebten Hot Rods. Diese werden aus einzelnen, dünneren Holzstäben zu einem Tipper gebündelt und fügen dem Trommelklang ein Klicken/Platschen hinzu. Dieses
Geräusch kann durch Gummiringe oder die Dicke der Stäbchen variieren.
Als Nächstes gibt es Schlitz-Tipper. Hier werden massive Sticks mit einer Säge geschlitzt, um ebenfalls Klickgeräusche zu erzeugen.
Bei den Bürsten-Tippern wird mithilfe von verschiedenen Borsten oder Fasern dem Spiel ein Wisch- oder Kratzgeräusch hinzugefügt.
Last but not least gibt es noch die Hybrid-Tipper. Hier ist ein massives Griffteil mit verschiedenen Hot-Rod- oder Bürsten- oder Schlitz-Tippern kombiniert.
What’s next?
Puh, das ist ganz schön viel Holz! Das sollten wir erstmal in Ruhe verarbeiten.
Ich vermute, der ein oder andere Tipper wird den Weg unter den Weihnachtsbaum finden – ich wünsche euch ein wunderschönes Fest voller Musik, Lebensfreude und Keksen!
Auch im nächsten Jahr geht es hier mit den BodhrÁnswers weiter – unter anderem mit Antworten zu Spieltechniken, Musikrichtungen, Übungstipps, Musikerporträts und noch viiiiiiel mehr!
Habt vielen Dank fürs Lesen, Teilen und Mögen; bleibt mir gewogen und drum on!
Wer steckt hinter BodhrÁnswers? Das bin ich, Katharina Menzel, mit meinem Wort- und Kreativstudio Wirkungsebenen aus der Uckermark. Als freie Journalistin und Lektorin für Musik, Kunst und Kultur bin ich in ganz Deutschland unterwegs, schreibe Artikel und Rezensionen – vor allem im weiten Feld der internationalen Folk-, Indie- und Singer/Songwriter-Szene – und trommle mich glücklich.
Ihr habt Fragen, die bodhránswert werden sollen, konkrete Tipps für eine spannende Geschichte oder ein Festival? Dann schreibt eine E-Mail an die Folknews-Redaktion – eure Infos werden an mich weitergeleitet.
Fotos: Besten Dank an Stevie für das Zur-Verfügung-Stellen seiner Tipperfotos!