Nonkonform und kunterbunt wie ein Knallbonbon ist die Welt von Gabby Young. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, wenn man sich in den ersten beiden hochgelobten Alben „We’re All In This Together“ (2010) und „The Band Called Out For More“ (2012) von der bunten, nicht ganz klar zu definierenden Musikrichtung hin- und her gepustet fühlt. Es gleicht einer Einladung in eine andere Welt, in der die Gedanken im Kopf einen anderen Platz einzunehmen haben und in der man unbedarft dem weißen Kaninchen folgt, welches wohl unweigerlich irgendwo dem Hut entlaufen sein muss.
Die britische Sängerin, Songwriterin, Gitarristen und Bandleaderin mit den unverkennbaren knallroten Haaren, bezeichnet ihren Stil selbst als „Circus-Swing“. Ein buntes Allerlei, mal tierisch laut, mal zart und leise, mit einer kräftigen und markanten Stimme, die vergnügt mit ihren Bandmitgliedern und deren zahlreichen Instrumenten munter zwischen Pop, Gypsy-Folk, Punk-Kabarett, Polka, Oper und Chanson hin und her springt. Ein ganz eigener Stil und auch ein individueller Weg, der bereits mit 12 Jahren als jüngstes Mitglied im National Youth Opera begann und sich über ein paar kleine Umwege und Zwischenstopps mit dem gefestigt hat, was nun vorliegt.
Doch scheint hinter der skurrilen Exzentrikerin auf der Bühne auch eine andere, eine sensible und sanfte Frau zu stehen. Diese persönliche Seite spiegelt sich in vielen ihrer aktuellen Songtexten wieder und so schlägt das Album One Foot in Front Of The Others mit einem deutlichen Balladenüberhang vermehrt ruhigere Töne an.
Nach einem, ein wenig an Edith Piaf erinnernden, chansonhaften Einstieg, zeigt sie anschließend mit Time, was in ihr steckt. Während in den Strophen Akustik-Gitarre, Piano und Congas den Ton angeben, wird im Refrain mit Trompete, Tuba und Posaune der Vorhang gehoben. Ebenso lebendig gestalten sich I´ve Improved und Back Where We Started. Drei Titel mit genügend Raum für Salto mortale und schnelleren Rhythmen.
Sehnsuchtsvoll und eingehend dagegen die verträumten Balladen Fear Of Flying und Another Ship, in denen Flugangst und Heimweh so eindringlich besungen werden, dass man unweigerlich innehält. Letzteres bedient sich dabei lediglich einer Gitarre, Backgroundsound, ein wenig Schlagzeug und am Ende ein unerwartetes Piano. Für das sonst so opulente Ausnutzen aller instrumentalen Möglichkeiten mag das sehr minimalistisch klingen, erzeugt aber genau die Wirkung, die solch ein Lied braucht. Eine musikalisch wunderbar umgesetzte Thematik.
Trotz der ruhigeren Töne ist One Foot in Front Of The Other ein lebendiges Album mit seinem ganz eigenen Zauber, in denen keine der Balladen langweilig wirkt, auch wenn es am Feuer der vorangegangenen nicht anschließt. Ein wenig wirkt es, als wäre nicht nur das Kaninchen wieder im Hut, sondern auch der Blickwinkel ein anderer. Jedenfalls für den Moment. Aber genau das empfinde ich persönlich als herausragend. Denn all das Bunte, all das Törö, all das wäre nichts, würde sich unter deren Oberfläche nicht der Mut verstecken, Neues zu versuchen
Für alle, die bereit sind, sich darauf und auf nicht grundlegend Gewohntes einzulassen, kann es nur ein lautes Hereinspaziert geben. Lasst Euch verzaubern, wie ich mich auch.
Und wie heißt es im Titelsong?: Ein Schritt nach dem anderen. Man darf gespannt sein, welchen Schritt Gabby Young and other animales als nächstes gehen werden.
Titelliste
- Sur La Lune
- Time
- Fear Of Flying
- I´ve Improved
- Another Ship
- Savior
- Smile
- The Devil Has Moved In
- Back Of The Car
- One Foot In Front Of The Other
- Back Where We Started
- Jessica
Hinreißend rezensiert! Kein Wunder angesichts deines offenkundigen – und durchaus nachvollziehbaren – Hingerissenseins, liebe Cera … Unbedingt mehr in diesem Stil!
Ich muss Gudrun vollkommen recht geben. Tolle Rezension! 🙂