„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“. Recht hat er, der französische Schriftsteller Victor Hugo.
Auch in Irland spielt die Musik eine zentrale Rolle. Mit öffentlichen Sessions wird die Tradition hochgehalten sich in Pubs zu treffen, um sich dort gemeinsam auszudrücken und um alte und neue Freundschaften zu pflegen. Diese Art der lebendigen Musik und sicher auch das eine oder andere gute Gespräch bei einem Guiness oder einem Glas Cidre, hat die Irish Folk Band Ganaim zu ihrem zweiten Album Public House inspiriert.
Mit 13 traditionellen Titeln aus vielen Teilen Europas lädt das Trio aus Bremen zu einem ganz besonderen kulturellen Austausch ein. Und ganz im Sinne des Public House haben sie sich dazu befreundete Musiker als Gastmusiker eingeladen. Neben Ralf Albers (Albi – Frontman von Fiddler´s Green), komplettieren Hendrik Morgenbrodt (Uilleann Pipes Spieler bei CARA), Günther K. an der Drehleier, Linda Laukamp (Lyriel) am Cello und Steffen Gabriel an Flöte & Whistle den musikalischen Hörgenuss auf vielfältige Weise.
Dass sie sich dabei nicht auf bereits Gehörtes ausruhen, zeigt der Opener Star oft he County Down. Eine bis in die Unendlichkeit interpretierte Ballade aus Bambridge über die Liebe eines jungen Mannes zu einem Mädchen, das aufgrund ihrer betörenden Schönheit in der ganzen Grafschaft als Stern bezeichnet wird. Die Version von Ganaim versumpft jedoch nicht in Sehnsucht, startet stattdessen druckvoll mit der Bodhrán, um im Laufe des Liedes immer energetischer Gitarre und Geige hinzuzunehmen.
Auch The Rocky Road to Dublin erfährt eine eigene Interpretation mit geändertem Aufbau. Ein Arrangement mit kurzem Refrain, komplexer Gesangsrhythmik und vorangestellter Slip Jig im 9/8 Takt. Stellvertretend für den besonderen Ganaim Sound mit hohem Wiedererkennungswert.
Zweistimmiger Gesang, im schottischen Hochzeitslied Marie´s Wedding, fröhlich traditionell arrangiert und mit einem Reel unterlegt, warmer Gesang von Saskia in An Hini a Garan, einem Liebeslied in bretonischer Sprache, energiegeladenes, gute Laune versprühendes Duett mit Thomas und Albi in Hills of Connemara und dazwischen instrumentale Reels, mal relaxed, mal zum Tanz auffordernd – das Album führt vielfältig durch 60 unterhaltsame Minuten und endet in Lovers and Frieds mit ungewohntem Cello und einer stimmlich stark interpretierten Position gegen Krieg und für ein Miteinander.
Als Freund vokaler Songs dürften es für mich persönlich weniger Instrumentalstücke sein. Das Album räumt jedoch bei der Auswahl und Interpretation der Traditionals richtig ab. Lediglich zwei Balladen sorgen für ein wenig Luft holen und einer kurzen Verschnaufpause der ansonsten doch eher energiegeladenen Songs, die mit geballter Motivation und mitreißender Spielfreude punkten. Egal ob ruhige Songs, Jigs oder Reels, – die Musiker lassen die Stimmung nach Belieben hochkochen oder herunterfahren.
Zum Charakter dieses Gesamtkunstwerkes passt die sorgfältige Gestaltung des Albums: Das umfangreiche Booklet in Deutsch und Englisch enthält sachkundige Einführungen zur Geschichte der jeweiligen Songs und bietet gleichzeitig einen Einblick in die herzliche und offene Art der Band. Ein Luxus, der Standard bei CD Veröffentlichungen sein sollte.
Am Ende gibt die Band mit diesem Album nicht nur dem französischen Schriftsteller recht, sondern auch allen Freunden keltischer Lebensfreude, die es mit Musik und Tänzen verstehen, den traurigen Begebenheiten dieser Welt eine lange Nase zu zeigen und selbst in schwierigen Zeiten einen Weg finden, sich durch diese auszudrücken.
Das Trio bringt mit Public House eine erfrischendes, authentisches und vor allem gelungenes Album auf den Markt, das neben ihrer Liebe zur keltischen Musik gleichzeitig eine deutliche musikalische Entwicklung zeigt. Ein Album, prädestiniert dafür, sich nach getaner Arbeit mitreißen und in einen Pub entführen zu lassen und das jedem Irish Folk Fan wärmstens ans Herz gelegt sei.
Titelliste:
- Star of the County Down
- Marie´s Wedding
- First Pint at Slattery´s
- Jonny Jump Up
- Follow me up to Carlow
- Craic at Kelly´s Cellar
- The Rocky Road to Dublin
- Danse à la Guinguette
- An Hini a Garan
- Cena en Las Goteras
- Hills of Connemara
- Lovers and Friends
Weitere Alben: Ceol ón Mhuileann