Ursprünglich wollte ich mich in diesem Monat schön entspannt mit dem Durchblättern und Studieren leicht verblichener Buchseiten, dem Einatmen des typischen und für mich herrlichen Duftes bedruckten Papiers und dem Ausprobieren lustiger Übungen befassen.
Doch es kam janz anders – in einer meiner zahlreichen, aber wohlverdienten Homeoffice-Pausen scrollte ich mich mehr oder weniger gelangweilt durch meine Facebook-Timeline. Bis mein Blick (aus meinen bezaubernden Augen) an einem Typ mit fragwürdigem Kleidungsstil hängenblieb, der grinsend eine vermeintlich brennende Bodhrán in den Händen hielt. Ähhhhh, Moooooooment. Wat’n das? Beziehungsweise: Wer’s’n das? Ich würde fast blind darauf wetten, dass mindestens 90 Prozent von euch bereits nach dem dezenten Kleidungshinweis wussten, um wen es heute gehen wird. Jenau! Um den Guido! Der Herr und Meister des Bodhrán-Unterrichts in Deutschland hat sich durch die bescheidene aktuelle Krisensituation nicht unterkriegen lassen und kurzerhand ein neues Unterrichtskonzept entworfen, das es euch ermöglicht, online einzeln oder in Gruppen Bodhrán spielen zu lernen. Da musste ich natürlich genauer nachhaken – viel Spaß mit dem leiiiicht gekürzten Interview und willkommen in der Bodhrán World von Guido Plüschke!
Stell dich gern den Lesern vor: Wer bist du und was machst du? Wie bist du zur Bodhrán gekommen, seit wann spielst du? Was hat dich zum Unterrichten bewegt?
Mein Name ist Guido Plüschke und ich komme aus Hamburg-Harburg. Ich war sehr lange Deutschlands einziger hauptberuflicher Bodhrán-Lehrer. Nach Abi und Bundeswehr habe ich eine Lehre als Industriekaufmann gemacht und danach Angewandte Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Marketing und Musikmanagement studiert. Meine Magisterarbeit habe ich über die Geschichte der Bodhrán geschrieben.
Der Musiklehrer an meinem Gymnasium hatte mir das Interesse am Musizieren vermiest und erst durch einen Kameraden während der Bundeswehrzeit habe ich wieder Spaß an der Musik gefunden. In Hamburg habe ich später mit meinen Kumpels, zwei Kisten Bier, fünf Gitarren und einer Blockflöte von den Dubliners über Hannes Wader bis Torfrock alles Mögliche im Hauskonzert gespielt.
Irgendwann kam mein Kumpel Martin mit einer Bodhrán zu so einem Abend, und ich dachte mir: Das kann ich auch. Und siehe da, es klappte sogar auf Anhieb bei mir, da die Bewegung ähnlich wie Gitarre spielen ist. Bei meinem ersten Irland-Urlaub habe ich mir dann eine Bodhrán in Donegal gekauft. Natürlich ein Touri-Instrument. Das war 1989, und wir hatten ja keine Ahnung „nach dem Krieg“, und Internet gab es noch nicht 🙂
Mit meiner ersten Band Garifin habe ich bis 2007 gespielt und fünf CDs aufgenommen. Wir haben ganz Deutschland bereist und eine großartige Zeit gehabt. Mit den regelmäßigen Übungsabenden kam dann auch Routine in das Musizieren und das Bodhrán-Spielen. Wobei ich mehr Saiteninstrumente als Bodhrán gespielt habe. Irgendwann 1996 kam Wilhelm Zimmer vom Hamburger Folkmagazin mit der Frage auf mich zu, ob ich nicht einen Bodhrán-Workshop geben könnte. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie Bodhrán-Unterricht und nun sollte ich selber welchen geben: eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Also habe ich mich mit Aktenordner und Edding hingesetzt und die ersten Schlagmuster aufgeschrieben. So wie ich sie spiele.
Da ich so viele Bodhrán-Sticks von meinen Irland-Urlauben mitgebracht hatte, die ich alle nicht gespielt habe, nahm ich diese mit in den Workshop. Die Leute haben sie mir aus der Hand gerissen – mein kaufmännisches Interesse war geweckt. Ich habe dann jemanden gefunden, der mir Sticks gedrechselt hat, eine Quelle für Bodhráns aufgetan und ab da immer Instrumente und Zubehör in den Workshops verkauft. Erst Trommeln von Brendan White, dann von Norbert Eckermann und seit 2010 Instrumente von Christian Hedwitschak. Ich war der erste in Deutschland, der Christians Trommeln verkauft und an ihn und seine Fähigkeiten geglaubt hat. Irgendwann habe ich dann noch zusätzlich mein Brand Bodhrán World eröffnet, wo ich bis heute auch alle meine Produkte verkaufe. Später kamen immer mehr Anfragen für Irish Weekends und irgendwann rief ich Rolf Wagels an, den ich von Sessions her kannte, und fragte, ob wir nicht was zusammen machen wollen. Geballte Kompetenz. Auch eine sehr gute Entscheidung von mir. Rolf sagte damals zu – und demnächst haben wir das 40. Bodhrán Weekend, eine 20-jährige Erfolgsgeschichte. 2008 wurde ich dann noch Dritter bei den Bodhrán World Championships in Irland. Das war schon abgefahren und für mich ein weiterer Erfolg.
Gerade hast du neue Kursangebote entwickelt – was genau bietest du an? Hattest du sowieso vor, dieses Format auszuprobieren, oder ist das der Corona-Zeit zu „verdanken“?
Ich wurde schon häufiger angesprochen, ob ich nicht auch Online-Kurse geben könnte. Die Idee fand ich gut, ich besorgte mir passendes Equipment, kam aber bisher noch nicht dazu, das auch umzusetzen.
Und dann kam über Nacht Corona und die Lichter in der der Kulturszene Deutschland gingen sehr schnell und unerwartet aus. Ich war erst einmal Fassungslosigkeit und hatte natürlich auch Existenzängste. Zum Glück arbeite ich noch Teilzeit als Anleiter in der beruflichen Reha, dennoch sind mir ca. zwei Drittel meines Einkommens weggebrochen. Mir war sehr schnell klar, dass ich online gehen muss, wenn irgendwie unterrichten möchte. Und ich wollte noch zusätzlich Lehrvideos drehen. In einer Mammutaktion von Mitte März bis Mitte April habe ich dann mein erstes Lehrvideo mit vier Reel-Schlagmustern aufgenommen – dazu erst den Übungsraum in ein Videostudio mit Kulisse umgebaut, die Aufnahmen geschnitten, den Internetshop auf Digital-Ware umgestellt, Werbung dafür gemacht, mich in die Videosoftware Zoom eingearbeitet, um dann auch online zu unterrichten, Tests mit einzelnen Schülern und Gruppen gemacht und dann mein Online-Gruppenprogramm konzipiert. Jetzt biete ich seit Anfang April online Einzel- und Gruppenunterricht an und verkaufe Lehrvideos.
Wie sieht eine Unterrichtseinheit genau aus? Welche Voraussetzungen brauchen deine Schüler?
Der Einzelunterricht hat immer 45 Minuten, die Gruppen 60 Minuten, und bei den absoluten Anfängern ohne Vorkenntnisse setze ich 90 Minuten an, da man da viel mehr erklären muss.
Im Einzelunterricht kann ich auf alle Fragen und Bedürfnisse der Schüler eingehen. Zum Beispiel spiele ich auf meiner Seite zur Musik, zähle mit und der Schüler setzt auf seiner Seite dann mit ein. Oder der Schüler spielt bei sich Musik ab und ich kann es bei mir hören, da der Sound der Bodhrán und die Musik aus der Konserve bei mir zusammen ankommen. So höre ich auch, ob der Schüler das Richtige im richtigen Timing spielt. Das geht besser, als man denkt und auch Schüler, die anfangs skeptisch waren, sind durch die Bank weg erstaunt, wie gut das läuft! Mit meiner Erfahrung kann ich den Leuten erklären und zeigen, was sie machen und verbessern sollen, sodass sie das dann umsetzen können. Die Musik bekommen sie von mir zur Verfügung gestellt, die Schlagmuster male ich auf mein iPad und schalte das Bild dann auf dem Zoom-Bildschirm frei, sodass die Schüler es sehen können. Zusätzlich schicke ich die Datei per E-Mail.
Grundsätzlich benötigt man für den Unterricht einen Zugang zum Internet, eine Kamera und ein Mikrofon. Und natürlich sollte man auch eine Bodhrán mit Stick sein Eigen nennen. Und die Schüler sollten bis zur nächsten Unterrichtseinheit üben, sonst kommt man nicht weiter. Die Einladung zu den Meetings kommt per E-Mail. Man muss als Schüler nichts kaufen, keine Software installieren, nur dem Einladungslink folgen: Schon ist man im virtuellen Übungsraum mit mir und die Show kann beginnen.
Im Gruppenunterricht läuft es etwas anders ab. Die Teilnehmer bekommen im Voraus die Schlagmuster und die Musik des Workshops zur Verfügung gestellt. Nach der Begrüßung schalten alle die Mikros aus, die Musik wird bei mir abgespielt, ich spiele zu der Musik und zähle, und die Schüler spielen auf ihrer Seite mit. Der Vorteil ist, dass jeder auf seiner Seite sofort ausprobieren kann, was ich zeige und erzähle, ohne dass das sonst so nervige Dazwischen-Trommeln zu hören ist, was sonst im realen Unterricht immer passiert und mich und viele Schüler stört. Was und wie es zu spielen ist, erkläre ich natürlich vorher und ist in den Handouts zu sehen. Und zwischendurch gibt es immer wieder Momente, wo die Schüler Fragen stellen können, die ich dann beantworte. Bis jetzt waren alle zufrieden und kommen auch wieder oder verlängern ihre Buchung. Die Schüler bekommen ihren Unterricht und ich kann mein Know-how weitergeben: Das ist wirklich wunderbar!
Für welche Spielstärken bietest du deinen Online-Unterricht an? Gibt es spezielle Kurse für Anfänger? Welche Vorkenntnisse sollten sie mitbringen?
Die Zielgruppe ist von absoluten Einsteigern ohne Vorkenntnisse bis Spieler mit Erfahrung. Fortgeschrittene kommen in der Regel eher zum BodhránWeekend. Durch die vielen Workshops, Konzerte und Irland-Besuche in all den Jahren, ist meine Erfahrung meine größte Ware und mein Schatz. Ich sehe bei den meisten Anfängern sofort, warum dieses oder jenes nicht funktioniert. Auch per Video-Chat. Ich kann den Leuten wichtige Tipps geben und einfache Übungen zeigen, mit deren Hilfe sie weiterkommen. Im Einzelunterricht ist die Spielstärke des Schülers für den Inhalt des Unterrichtes ausschlaggebend. Da kann ich auch sehr flexibel und sofort reagieren. Ich freue mich auch, wenn Schüler konkrete Fragen zum Unterricht mitbringen. Somit kann ich die ganze Bandbreite des Bodhrán-Spielens abdecken. Vom absoluten Anfänger ohne Vorkenntnisse, ohne Notenkenntnisse, die noch nicht einmal ein Instrument bis dahin gespielt haben, bis zum Profi, der noch ein paar Optimierungs-Tipps benötigt und dem ich noch einen Kniff aus der Schatzkiste mitgeben kann.
Im Gruppenunterricht biete ich Kurse zu verschiedenen Spielstärken an und zusätzlich auch zu speziellen Themen, zum Beispiel zur Technik der hinteren Hand für alle Spielstärken. In den anderen Kursen geht es um Grundtechnik, die ersten irischen Rhythmen, den Ausbau der eigenen Technik usw. Da ich keinen Raum mieten muss, keine Fahrt- und Übernachtungskosten habe, kann ich auch das Wagnis eingehen, richtig spezielle Angebote zu machen, die vielleicht nur eine kleine Gruppe interessiert. Bucht es jemand, findet es statt und fällt nicht aus. Eine Win-win-Situation!
Können die Interessenten einzelne Stunden buchen oder buchen sie „Pakete“, also beispielsweise einen Anfängerkurs mit 10 Einheiten?
Es ist alles möglich. Ich biete Einzelstunden an und auch 5er- und 10er-Pakete. Was die Intervalle angeht, bin ich sehr flexibel. Wir können uns einmal die Woche treffen, alle zwei Wochen, einmal im Monat, auf Zuruf, alles kein Problem. Jemand möchte nur eine Stunde für ein spezielles Problem buchen? Auch das ist machbar. Das Wunderbare am Online-Unterricht ist, dass ich jetzt Leute unterrichten und weiterbringen kann, die nicht in Hamburg wohnen und mich sonst nur einmal im Jahr bei einem bestimmten Workshop erleben können.
Warum sollte man mit dem Bodhránspielen anfangen?
Weil Rhythmus-Spielen einfach Spaß macht und es einer unserer Urinstinkte ist. Die meisten Leute klopfen gerne auf etwas oder klatschen zu etwas. Unser ganzes Leben ist vom Rhythmus bestimmt. Das geht beim Herzschlag los und hört bei den Tageszeiten auf.
Und bei der Bodhrán fängt es damit an, dass es das Instrument ist, welches in der irischen Musik am einfachsten zu erlernen ist. Es ist ein guter Start in eine neue Musikwelt und man lernt viel über die Struktur der irischen Musik. Denn nur wenn es ein System gibt, kann man auch spontan und überall sofort zusammenspielen. Und genau das geht bei Irish Folk. Wenn man sein Instrument einigermaßen im Griff hat, kann man sich in Boston, Tokyo, Castrop-Rauxel oder Dublin sofort in eine Session setzen. Zu 80 bis 90 Prozent kommen 4/4- oder 6/8-Melodien, sogenannte Tunes, vor, sodass man mit zwei Rhythmen sofort anfangen kann. So gut wie alle Schüler können die Grundtechnik umsetzen und langsame Musik begleiten. Wenn man dann mehr auf dem Instrument lernen möchte, merkt man aber auch hier, dass es sehr anspruchsvoll werden kann und es nicht einfach nur Stock auf Fell ist. Linke und rechte Seite machen total andere Bewegungen und das muss erst einmal automatisiert werden. Dennoch kann man es auch weniger aufwändig gestalten und auch so eine Menge Spaß haben. Und klar, die irische Original-Geschwindigkeit macht dann auch noch vielen Schülern das Leben schwer. Am Ende ist es eine Lebensaufgabe und selbst ich, der schon wirklich viel kann, kann nicht alle Techniken spielen und übe daher selber immer wieder mal an neuen Herausforderungen.
Möchtest du selbst gern noch etwas loswerden?
Ich möchte mich erst einmal bei allen Leuten bedanken, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben und an mich und meine Projekte geglaubt haben. Speziell in dieser komischen Zeit hatte ich sehr viele positive Begebenheiten, was mir auch weiterhin Mut macht, meinen Weg zu gehen. Viele Schüler halten mir seit Jahren die Treue und kommen immer wieder zu den Workshops und zu meinem regelmäßigen Unterricht in Hamburg. Ohne diese Solidarität könnte ich das alles nicht machen und mit meiner Passion meinen Teil zu unserem Familien-Einkommen beitragen.
Ich war selber am Anfang skeptisch, ob das alles so funktioniert und bei den Leuten und bei mir ankommt. Und ich muss sagen, es funktioniert prächtig und viele Leute freuen sich darüber, dass sie mich jetzt regelmäßig buchen können. Mein Blick geht nach vorne und ich habe noch viele Ideen, die umgesetzt werden wollen …
What’s next?
Pfff, ach, wisst ihr, ich lass mich selbst überraschen 😉
Wer steckt hinter BodhrÁnswers? Das bin ich, Katharina Menzel, mit meinem Wort- und Kreativstudio Wirkungsebenen aus der Uckermark. Als freie Journalistin und Lektorin für Musik, Kunst und Kultur bin ich in ganz Deutschland unterwegs, schreibe Artikel und Rezensionen – vor allem im weiten Feld der internationalen Folk-, Indie- und Singer/Songwriter-Szene – und trommle mich glücklich.
Ihr habt Fragen, die bodhránswert werden sollen, konkrete Tipps für eine spannende Geschichte oder ein Festival? Dann schreibt mir eine E-Mail an: katharina.menzel@folknews.de. Ich freu mich auf euch!