Whoosh, da ist er hin, der Monat. Zeit, ein paar neue BodhrÁnswers zu finden. Mit dieser raffinierten Überleitung sind wir auch direkt beim Thema: Heute wird es um vergangene Zeiten gehen – wie hat sich die Bodhrán entwickelt? Wo kommt sie eigentlich her? Und warum könnte das interessant sein?
Ich muss zugeben – Geschichte ist nicht wirklich mein Steckenpferd. Das war sie nie. Für mich stand dieses Schulfach einzig für stupides Auswendiglernen irgendwelcher Daten ohne greifbaren Zusammenhang mit dem Heute. Klar kann ich noch immer die Daten der Französischen Revolution, des Ersten Kreuzzugs oder der Entdeckung Amerikas aufzählen (1789 – 1799, 1096, 1492), aber was das mit mir zu tun haben sollte, hat sich mir nicht erschlossen. Es war immer ganz gut, um die Hausaufgaben für die wichtigen Fächer noch schnell zu erledigen/abzuschreiben/anzubieten und/oder um verschiedene Schlaftechniken auf hartem Untergrund zu erforschen.
Aber auch das ist mittlerweile Geschichte. Versteht mich nicht falsch – ich finde es immer noch wenig zielführend, einfach nur Zahlen, Daten und Fakten zu pauken, allerdings habe ich festgestellt, dass es zuweilen doch recht interessant sein kann, sich intensiver mit bestimmten Dingen zu beschäftigen und deren Hintergründe oder Herkunft zu ergründen. Sobald man für eine Sache brennt, ist plötzlich alles ganz leicht. Mein eigenes Instrument, dessen Ursprung und Geschichte zu kennen, lässt mich auch die Musik, die ich damit spiele, vollkommen anders wahrnehmen – einen Kontext herzustellen, ist also durchaus sinnvoll.
Wie in der ersten Folge der BodhrÁnswers angekündigt, werden zukünftig auch immer Experten mit zu Wort kommen – vielen Dank an Dr. Rolf Wagels, der seine Gedanken zur Geschichte der Bodhrán mit mir und euch geteilt hat:
Findest du es wichtig, dass man als Musiker die Geschichte seines Instruments kennt? Falls ja, warum?
Ich denke schon. Zumindest, wenn man die Bodhrán im irisch-traditionellen Kontext spielen möchte. Irische traditionelle Musik steht immer in kulturellem Zusammenhang – mit Orten, Personen, Ereignissen und eben auch mit der Geschichte. Man wird technisch vielleicht kein besserer Spieler, wenn man die Geschichte seines Instrumentes kennt, aber gesamthaft entwickelt man sich schon, nach meiner Ansicht: Weil man weiß, was das Instrument bedeutet, welche Rolle es hat, und weil man weiß, wie man sich in der Kultur, aus der es stammt, bewegt. Bei der Bodhrán kommt hinzu, dass die Entwicklung dieses Instruments noch nicht abgeschlossen ist. Wenn man sich die Entwicklung alleine der letzten 30 Jahre anschaut, wird einem nochmal mehr bewusst, was hier alles passiert ist und dass auch noch viel passieren kann.
Wenn man nach „Geschichte“ und „Bodhrán“ googelt, landet man automatisch auf deiner Seite – Warum interessierst du dich persönlich so für die Geschichte? Wie und wo bist du fündig geworden?
Mich interessiert Geschichte generell. Mich interessieren Hintergründe, ich versuche, Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen. Dann war es zu Beginn meiner Bodhrán-Karriere so, dass sich kaum etwas zu dem Thema fand. Keiner schien zu wissen, wo die Trommel herkam und seit wann es sie gibt, und schon bei der Wortherkunft war es schnell vorbei. Heute wissen wir mehr, aber noch lange nicht alles. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, um selbst weiter zu forschen. Meine Quellen sind neben eigener Recherche und Gesprächen mit vielen Kollegen die Arbeiten von Mel Mercier (Vorträge und Radio-Beiträge) und die tolle Artikelserie von Liam Ó Bharáin im Treoir Magazin (der erste Teil ist hier öffentlich zugänglich).
Ein kurzer Überblick zur Geschichte der Bodhrán
Das klingt doch alles schon viel spannender als auf der Schulbank, oder nicht? Nachfolgend fasse ich die Geschichte der Bodhrán in aller Kürze zusammen – als Überblick für all jene, denen der grobe Kontext genügt und ebenso als Anregung für diejenigen, die sich durch die Zeilen animiert fühlen, selbst weiterzuforschen.
Gogong … gogong … Das funktioniert nicht nur bei Dirty Dancing, sondern beschreibt das wohl Wichtigste und Elementarste, das ein Mensch zu Beginn seines Lebens hören kann – den Herzschlag der Mutter. Dieses Geräusch nachzuahmen war wohl der Grund, die erste Trommel zu bauen. Sie zählt weithin zu den ältesten Musikinstrumenten der Welt, und taucht nahezu auf jedem Kontinent, in den verschiedensten Kulturkreisen und unterschiedlichsten Bauweisen auf.
Die Rahmentrommel, wie die Bodhrán eine ist, zählt wiederum zu den ältesten Typen der Trommel. Sie unterscheidet sich von anderen Arten dadurch, dass ein Rahmen, der nicht tiefer als der Gesamtdurchmesser ist, mit einem Fell bespannt wird. Dieser sehr einfache Trommeltyp verzichtet – jedenfalls im heutigen Gebrauch – auf Schellen oder Schnarrsaiten, und hebt sich vor allem auch durch die senkrechte Handhabe, das Benutzen der „Fellhand“ sowie das Bespielen mit dem Tipper von anderen Instrumenten ab. Der tatsächliche Ursprung der Bodhrán ist bis heute noch unklar – einige vermuten, die Trommel sei eine irische Erfindung, die originär als landwirtschaftliches Gerät benutzt wurde, andere vertreten die These, das Instrument sei aus Ägypten, von den Mauren oder mit den Wikingern auf die Insel gekommen. Selbst bei der Entstehung des Wortes warten die Forscher mit verschiedensten Theorien auf. So entstamme der Begriff dem irischen „bodhar“, was so viel wie taub, benommen oder dumpf bedeutet. Auch „bodharaí“, hohler Ton oder Klang einer Trommel, könne der Ursprung sein. Im 15. Jahrhundert taucht der Terminus „bhodhrán“ in einer medizinischen Schrift auf, der ebendort einen aufgeblähten Bauch mit dem Klang einer Trommel vergleicht. In jedem Fall weisen alle etymologischen Theorien auf einen besonderen Klang hin – dann nehme ich das jetzt als gegeben und fasse wie folgt zusammen: Bodhrán = krasser Klang auf irischer Rahmentrommel.
Laut Liam Ó Bharáin gab es bereits in den 1940ern erste Sessions, in denen auch die Bodhrán zum Einsatz kam. Vornehmlich jedoch wurde sie bis in die 1950er Jahre als Ritualinstrument genutzt – beispielsweise am Saint Stephen‘s Day (26. Dezember), beim „Hunt the Wren“, einem Brauch ähnlich den Sternsingern, bei dem eine Gruppe Menschen von Dorf zu Dorf zieht, ein traditionelles Lied vorträgt und um einen geschmückten Zaunkönig (wren) tanzt. Auch die irische Musik an sich wurde eher stiefmütterlich behandelt. Die heutige Bekanntheit der Bodhrán ist vermutlich Seán Ó Riada zu verdanken, der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts damit begann, traditionelle irische Musik auf die Bühnen zu bringen, und entschied, die Bodhrán sei nun die nationale Trommel der Iren. Schnell verbreitete sich das neu entdeckte Instrument über verschiedene Bands, z. B. The Chieftains, weiter.
Mit der Eroberung der landesweiten Bühnen gingen natürlich auch verschiedenste Entwicklungen in der Herstellung der Bodhrán einher – die bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Immer wieder werden neue Ideen entwickelt, ausprobiert und umgesetzt. So wurden verschiedene Rahmentiefen und Fellarten erprobt oder der Durchmesser der Trommel variiert. Anfangs waren die Instrumente von eher geringer Qualität, sie wurden mit der Hand oder einem Stick gespielt. Über die Jahre entwickelte sich auch die Spieltechnik weiter, sodass das Fell nun mit der Hand abgedämpft wird und dadurch definierte Töne möglich sind. Peadar Mercier, Johnny „Ringo“ McDonagh oder John Joe Kelly – um nur einige zu nennen – haben im letzten halben Jahrhundert dazu beigetragen, die Bodhrán und diese Spieltechnik so populär zu machen.
Ihr seht, die Geschichte der Bodhrán ist erstens noch nicht wirklich alt und reicht zweitens bis in die Gegenwart. Auch hierzu hat mir Rolf Wagels noch eine Frage beantwortet:
Welche Vor- oder Nachteile siehst du in der vergleichsweise jungen Geschichte der Bodhrán?
Ich sehe vorwiegend Vorteile. Wir sind live dabei und können die Entwicklung mit beeinflussen! Das kann kein Geiger von sich sagen! Ein wenig bilde ich mir auch ein, das getan zu haben – spätestens als wir als erste die Bodhrán an der Uni München klangtechnisch vermessen und viel gelernt haben, was Christian Hedwitschak danach umsetzen konnte. Ich hatte das Glück, eng mit Christian zusammenzuarbeiten, was nun seit 15 Jahren gut funktioniert und einige Früchte getragen hat.
Es ist toll zu sehen, welche Entwicklungen nicht nur der Bau der Trommel, sondern auch die Spielweisen genommen haben. Klar waren da auch ein paar extremere Entwicklungen dabei, aber das gehört zum Ausprobieren dazu. Da die Bodhrán in einer lebendigen Tradition steckt, werden solche Dinge aber auch schnell wieder eingefangen und es nivelliert sich wieder aus. Im Moment sehen wir sehr viel back to the roots. Und wenn man da hinwill, muss man die roots auch kennen. Und da sind wir wieder bei deiner ersten Frage ;-).
Hervorragend. Jetzt hat Rolf gleich selbst den Bogen zum Anfang gespannt, vielen Dank! Die Frage, ob es also eventuell sinnvoll sein könnte, den historischen Background des eigenen Instruments zu kennen, würde ich nun doch eindeutig mit Ja beantworten. Man muss sich nicht gleich durch verstaubte Archive wühlen oder eine Forschungsgruppe gründen, um ein leidenschaftlicher Spieler zu sein – aber ein wenig Hintergrundwissen lässt einen die Musik und das Instrument gleich noch ein bisschen mehr wertschätzen.
What’s next?
Im November widme ich mich unter anderem den Fragen, wie eine Bodhrán überhaupt aufgebaut ist, was welche Bauart mit dem Klang zu tun hat und wieso eigentlich ein Deutscher – noch dazu ein Bayer – einer der berühmtesten Bodhránbauer der Welt ist.
Sooooo, bevor ich mich verabschiede und euch völlig enttäuscht zurücklasse, weil ihr euch nun seit dem letzten Artikel einen geschlagenen Monat hin- und hergewälzt und die drei goldenen Haare gerauft habt, spanne ich euch nicht weiter auf die Folter: Meine Bodhrán heißt Caireann. Ich wollte auf jeden Fall einen irischen Namen, der etwas in mir anrührt und gleichzeitig eine tiefere Bedeutung hat. Easy. Auf einer lustigen Seite, auf der freundliche Menschen gälische Wörter vorlesen, wurde ich dann fündig: Caireann klingt entfernt wie der Spitzname meiner besten Freundin uuuuund – als wäre er für mich bestimmt – bedeutet so viel wie little love or little beloved. Perfekter geht es ja wohl nicht! Nun habe ich also jedes Mal, wenn ich meine little beloved bodhrán in die Hand nehme, auch meine little love bei mir 😊 Ja, ihr dürft euch das Tränchen wegtupfen. Mach ich auch.
Wer steckt hinter BodhrÁnswers? Das bin ich, Katharina Menzel, mit meinem Wort- und Kreativstudio Wirkungsebenen aus der Uckermark. Als freie Journalistin und Lektorin für Musik, Kunst und Kultur bin ich in ganz Deutschland unterwegs, schreibe Artikel und Rezensionen – vor allem im weiten Feld der internationalen Folk-, Indie- und Singer/Songwriter-Szene – und trommle mich glücklich.
Ihr habt Fragen, die bodhránswert werden sollen, konkrete Tipps für eine spannende Geschichte oder ein Festival? Dann schreibt eine E-Mail an die Folknews-Redaktion – eure Infos werden an mich weitergeleitet.
Hallo Katharina,
das ist ein sehr schöner Artikel.
Zur Ergänzung möchte ich hinzufügen, dass sich eine Rahmentrommel dadurch definiert, dass die Tiefe des Rahmens nicht größer als der Durchmesser ist. Nicht des Umfangs. Und Schellen oder sogenannte Jingles waren früher auch an den Instrumenten angebracht. Ob nun an allen ist nicht zu klären, aber auf der ersten bekannten Aufnahme einer Bodhràn auf Schellackplatte aus den 20er Jahren kann man wunderbar den Einsatz der Jingles hören. Heute hat man sie nicht mehr an den Bodhràns.
Viele Grüße
Guido Plüschke
http://www.bodhran-world.de
Hallo Guido,
vielen Dank für deinen Hinweis zum Durchmesser, den ich natürlich sofort umgesetzt habe 😉
Viele Grüße