Zur besten Badehosenzeit 2016 offenbart Sören Vogelsang mit „Fernweh“ eine innensichtige Hommage in elf Titeln und setzt dabei auf Minimalismus im Sinne textnaher Verstehensweisen. Das knapp dreiviertelstündige Album eröffnet mit der Tautologie Ich bin ich und präsentiert die Grundbesetzung des Silberlings. Mit Cajon, Schellkranz und diverser Kleinperkussion wird die Gitarre Vogelsangs getragen. Dazu gesellen sich wahlweise Geige oder Cello sowie ein tragender Bass. So kommen Vogelsangs charakteristischer Gesang und seine Texterzeugnisse konkurrenzlos zur Geltung. So reimt sich der Komponist und Textdichter quirlig durch die Strophen und Refrains seiner Lieder und überzeugt insbesondere durch den Charme unmittelbarer Eingängigkeit. Quietschvergnügt mäandert Vogelsang durch seine Gehalte, unterbricht, wenn die Textzeile „dafür Zwischenapplaus“ erklingt, den Titel für einen solchen, bricht das Metrum inklusive musikalischer Begleitung kurzzeitig auf und liefert gar etwas wie einen Zwischenrapp. Die Quintessenz: „Ich bin ich […] nichts Besonderes, doch speziell, eben individuell […].“
Der Folgetitel, Zwei, mit seinem „Ich bin an deiner Seite und auch an der andern, wenn ich muss“ geizt nicht mit Tempo, wenn man den blickekreuzenden Mond als Ausdruck romantischen Inhalts versteht. Zwischendrin ein leicht jazziges Saxophon-Solo. Es folgt der namengebende Track Fernweh, die gemäß dem Motto „nomen est omen“ dem Fernen huldigt. In behaglichem Tempo singt Vogelsang „bin auf dem Weg zu meinem Ich“ und bricht gen Ende das rhythmische Grundgerüst. Der Hinhörer des Stückes bleibt indes ein grandioses Akkordeon-Solo irgendwo zwischen klassischem Impetus und Yann Tiersen. Das Abschiedslied ist eine selbstmitleidige Huldigung vergangener Liebe. Im Hinblick auf Melodie und Arrangement ein famoses Lied – nur leider kann ich mit Es-ist-vorbei-Songs herzlich wenig anfangen.
Da ist Fick dich, trotz vakanter Offensichtlichkeit seines Namens, von ganz anderem Format, schlägt Nägel im Dutzend auf den Kopf und nennt das Kind beim Namen: Wenn man gefrustet ist, denkt man nicht, „welch‘ leidiger Umstand, den mein Gegenüber dorten forciert“, sondern eher etwas im Format „Fick dich“. Vogelsang erweist sich als exzellenter Beobachter von Alltäglichkeiten, die in richtiger Textgewandung Großes in sich wiedergeben. Freunden nuancierten Reimens und wohlfeiler Arrangements wird dieses Album Wonneschauer durch die Ohren jagen.
Titelliste
- Ich bin ich
- Zwei
- Fernweh
- Abschiedslied
- Die Zeit
- Fick dich
- Beziehungswaise
- Gutmensch
- Yeti
- Kalsarikännit
- Mädchen aus Glas