Ok, Deutschland ist nicht unbedingt das Land, das man als Brutstätte von String-Band-Musik bezeichnen würde, aber die Erfolgsgeschichte der bayrischen Country- und Bluegrass Band Dinosaur Truckers sprach für sich. Jetzt brachte der Kopf und Frontman der Band, Philip Bradatsch, vor einigen Monaten mit When I´m cruel sein erstes Solo Album auf den Markt. Und die Bezeichnung Solo verdient es in jeder Hinsicht. Alle Songs stammen aus eigener Feder und wurden mit akustischer Gitarre oder Banjo ebenso eigenhändig eingespielt. Einzig für das Mastern und das Layout des Covers hat er sich Unterstützung geholt.
Der Sänger bleibt seiner Vorliebe für amerikanische Rootsmusik treu, auch wenn der Country etwas dem Folk und Americana weichen musste. Die neun Titel wurden bewusst spärlich instrumentiert, was der leicht rauen, melodischen und erzählenden Stimme und den teilweise dunklen und melancholisch anmutenden Geschichten einen passenden Rahmen gibt. Inspiriert haben ihn dabei die eigenen Erfahrungen und der Wunsch Stimmungen wiederzugeben, ohne dem Hörer die Möglichkeit zu nehmen dem Song eine eigene Deutung zu geben.
Wer jetzt allerdings glaubt, dass man sich diesem Album nur bei schlechtem Wetter und Miesepeter Stimmung hingeben sollte, hat sich gehörig geirrt. Baratsch gelingt der Spagat, mit liebevoll gestrickter lakonischer und ironischer Lyrik, trotz aller Melancholie, ein extrem leichtfüßiges Album zu produzieren. Dass dem so ist, dafür sorgen unter anderem auch immer wieder unaufdringliche Geräusche, die Lieder einleiten, ausklingen lassen oder verbinden. Eine Form, die ich in dieser Art noch nicht gehört habe und das Album wie aus einem Guss wirken lässt.
Zwei Instrumentaltitel sorgen zusätzlich für Abwechslung. Shippensburg zeigt dabei nach anfänglicher Zurückhaltung auf dem Banjo ein wahres Feuerwerk pickender Spieltechnik. Ebenso Banjostark Down By the Gallows. Ein Song, dessen leicht zurückgenommene Stimme im Gesang für eine extreme Weite sorgt, in der sich alles hineindenken lässt, was Rootsmusik ausmacht.
Der titelgebende Song When I´m cruel ist auch gleichzeitig mein Lieblingslied. Eigentlich ein Liebeslied beschäftigt es sich damit was passiert, wenn man früher oder später sein wahres Ich zeigen muss: ungeschminkt, ungeschönt und, wie durch den Titel verdeutlicht, durchaus auch manchmal grausam. Trotz dieser Thematik wirkt das Lied sanft, liebevoll, nachdenklich und auf eine Art ebenso dynamisch wie beruhigend. Schließlich haben wir alle unsere eigenen Schwächen bzw. Unsicherheiten.
Mit dem Album hat Philip Bradatsch bewiesen, dass man unabhängig von dem Land seiner Herkunft, ausgestattet mit einer starken Stimme und dem Gespür für den besonderen Augenblick auch außerhalb der USA perfekte Rootsmusik mit lyrischem Einschlag spielen kann. Ein Album, das jederzeit vor dem Kamin nebenbei für Wohlwollen sorgt, aber ebenso mit Kopfhörer bewusst genossen werden kann und auch sollte.!!
Titelliste:
- Pin In The Rope
- This Time Around
- Feels Like Rain
- Down By The Gallows
- Land Of Disease
- When I‘ m Cruel
- Shippensburg
- Mudhole
- Powder Smoke