Es soll Menschen geben, die behaupten Norddeutsche wären stur und schwer zugänglich. Alles Gerüchte ! Es kommt eben auf die Umgebungsvariablen an.
Wenn also eine enthusiastische Live-Band auf ein offenes und unkompliziertes Konzept eines Veranstalters wie das Café Karton in Bremen trifft, wenn die Temperatur das Blut bereits ohne Bewegung zum Kochen bringt und man eine Ahnung davon bekommt, wie es sich in einem Hexenkessel anfühlen muss, und wenn diese Live-Band zwei Stunden bei kochender Hitze in kompletter Bühnenmontur unter zusätzlichen Scheinwerfern zu viert auf einer 8 qm Bühne eine sensationell rasante, energiegeladene und publikumsnahe Show abliefert….tja, dann stimmen diese Umgebungsvariablen.
Bewaffnet mit Gitarren, einem Cello, das als Bass gespielt wird, Banjo, Kick Drum und Mandoline kreiert die kanadische Band The Dead South seit 2012 einen ganz eigenen, temporeichen Sound mit Elementen des Folk und Bluegrass, gewürzt mit Alternativcountry und einem Schuss Punk.Rock.
Mit dem aktuellen Album Illusion & Doubt sind die Musiker derzeit mit ihrem Label DevilDuck Records auf Europatour und absolvieren gerade ein straffes Programm. Offensichtlich kein Grund, nicht bei jeder Show Vollgas zu geben und trotz stehender Hitze das volle Repertoire, inklusive Haedbanging, Geburtstagsständchen und circa zehn zerrissenen Saiten zu absolvieren.
Es war ein Konzert der kurzen Wege und charmanter Improvisationen. Sehr früh wurde entschieden, dass die wartende Menschenmenge VOR dem Café unmöglich IN das Café passen würde. Da die Front ausschließlich aus großen Schaufenstern bestand, war es ein leichtes alle Fenster und Türen zu öffnen und offen zu lassen. Eintritt brauchte eh niemand zahlen. Die Band spielte in den Hut. Ein erstaunliches Konzept bei einer Veranstaltung, die mit ihrem Hauptakt eine Band eingeladen hat, deren aktuelles Album sich bei den Bluegrass US Billboards auf Platz zwei tummelt und diverse weitere Auszeichnungen eingeheimst hat.
Bereits die beiden Support Acts mit Del Suelo und Devarrow zeigten musikalisches Können auf hohem Niveau. Hinter Del Suelo verbirgt sich der Tourcellist von The Dead South mit seinem Soloprojekt, für das er 2016 bei den Tidewater Independent Book Awards eine ehrenvolle Erwähnung erhielt.
Die bereits durch die beiden Supporte angeheizte Stimmung steigerte sich in begeistertes Klatschen, als The Dead South sich ihren Weg durch das Publikum zur Bühne suchte. Das änderte sich auch während des kompletten Konzerts nicht. Es wurde draußen und drinnen geklatscht, getanzt und gefeiert. Gute Laune in Perfektion, die die Band ebenso mit rasanten Fingerpickings, mehrstimmigen, markantem Gesang und Interaktionen mit dem Publikum transportierte. Dazu gehörten die Menschen vor dem Café ebenso, wie die feiernde Meute direkt vor der Bühne. Niemand wurde vergessen. Treibende Songs wie Banjo Odyssee sorgten immer wieder für Begeisterungsstürme.
Und klar, Klassiker wie In hell I´ll be in good Company, wurden nicht nur textsicher mitgesungen, sondern auch traditionell nachgetanzt. Ebenso Honey You als vorläufiger Schluss Song, bei dem sich die Band kurzer Hand der Polonaise anschloss, die gerade durch das Café tanzte.
Nach drei weiteren Zugaben, besagten 10 (oder vielleicht auch ein paar mehr) durch gespielte Saiten, klitschnasse Klamotten und reichlich Schweiß auf den Instrumenten, endet ein grandioses Konzert mit einer erstklassigen Band, die es sich nicht nehmen ließ, anschließend noch für Autogramme und Fotos ins Publikum einzutauchen.
Am 10.06. endet die Deutschlandtour in Hamburg beim About Song Festival. Wer diese sympathische und erstklassige Live-Band bisher noch nicht gesehen hat, sollte sich die vorläufig letzte Gelegenheit nicht entgehen lassen. Für alle anderen gibt es natürlich eines der drei Alben, die bereits erschienen sind. Aber Vorsicht, Suchtgefahr.
Weitere Fotos gibt es hier.