Um es gleich vorwegzunehmen, man hört Johannes Oerding nicht so nebenbei. Das wäre wie ein Drei-Sterne-Menü vor dem Fernseher zu essen. Sein letztes Album „Für immer ab jetzt“ stieg 2013 zu Recht auf Platz vier der Charts ein. Im gleichen Jahr belegte er Platz zwei bei Stefan Raabs „Bundesvisison Song Contest“, war schon mit Joe Cocker auf Tour und gab zahlreiche Konzerte. Genauer gesagt so um die 250 in den letzten beiden Jahren. Bislang ging es für den deutschsprachigen Liedermacher aus Hamburg also steil nach oben.
Nach dem Album ist immer vor dem Album und spätestens ab dem dritten stellt sich meist heraus, ob alles nur Zufall und von kurzer Dauer war, ob man weiter in der Küche das Gemüse putzt, oder ob das zusammengestellte Rezept Bestand hat und in die Haute cuisine aufsteigt.
Das aktuelle Album „Alles brennt“ muss sich also mächtig ins Zeug legen. Was es auch tut. In zwölf Songs präsentiert Johannes Oerding uns seine Sicht auf das Leben in drei unterschiedlichen Herangehensweisen. Gleich der Titelsong Alles brennt überrascht im Refrain mit einem 700 Mann starken Chor, üppiger Instrumentierung und einem dominant Rhythmus angebenden Schlagzeug. Für Akustik verwöhnte Fans sicher ungewöhnlich. Sanfte Balladen dagegen in Zweites Gesicht, Heimat und Ich will noch nicht nach Hause, ausdruckstark, rockig und direkt aus dem Leben gegriffen in Nie wieder Alkohol, unterhaltsam und mit einem Augenzwinkern in So oder gar nicht, persönlich in Turbulenzen, einer Art Selbsttherapie gegen Flugangst und das Problem des Kontrollverlusts – egal wie, das Album bedient eine Menge Blickwinkel.
Entspannte Songs und kleine Geschichten a la Rheinhard May findet man allerdings selten. Eher dagegen gefühlvolle, witzige und nachdenkliche Texte sowie gut gemeinte Lebensratgeber, denen durch Mitwipp-Pop der tadelnde Zeigefinger und die Schärfe genommen werden. Eine Würze, der man sich bewusst hingeben sollte, um sie in ihrer Vielfalt und Tiefe zu genießen. Umfangreiche Instrumentierungen lösen den sonst bevorzugten Gitarrensound vorangegangener Alben ab, und auch wenn ich selbst ein Freund von Akustik-Versionen bin, ist die Kombination von rockigen Elementen und gefühlvoll eingesetztem Sound durchaus gelungen. Charmant auch die Idee das Album in einem Hotel am Strand aufzunehmen. Mächtig Weite und Unabhängigkeit garantiert.
Um bei meinem kulinarischen Vergleichen zu bleiben, scheint genau dass die nötige Raffinesse zu sein, die ein Rezept gelingen lässt. Denn Johannes Oerding ist nämlich eins nicht: ein Künstler von der Stange, der sich in einem Studio zurechtbiegen lässt. Und zum Nachtisch gibt es eine große Menge Spaß, die sich nicht nur in einem überaus gelungenen Album widerspiegelt, sondern auch in der Art und Weise, wie der Nachtisch serviert wird.
Titelliste
- Alles Brennt
- Wenn du lebst
- Heimat
- Nie wieder Alkohol
- Immer wieder
- Diese Nacht gehört uns
- Gesucht und nichts gefunden
- Plötzlich perfekt
- Turbolenzen
- Zweites Gesicht
- So oder gar nicht
- Ich will noch nicht nach Hause
Die CD ist klasse, aber nichts im Vergleich zu seinen Live Auftritten. Den muss man sich einfach live ansehen, sensationell.