Singer-/Songwriterin ist sie, weitgereist ist sie, neugierig und offen ist sie und vor allem ist sie eins: ein musikalischer Tausendfüßler, der seine Füße nicht nur unter einen Tisch stecken kann.
Die Rede ist von Ingrid Veerman, einigen vielleicht auch besser bekannt als Inneke23. Denn als diese war die Belgierin nach anfänglichen Erfahrungen als Mitglied der Punk Band DeBossen und Hari’Kiri, mit ihrer eigenen Alt-Country/Roots Band Inneke23 & The Lipstick Painters lange Zeit unterwegs. Nun scheint sie angekommen zu sein und es an der Zeit, all diese Erfahrungen der letzten 20 Jahre in einem neuen Projekt und unter dem eigenen Namen zusammenzufassen. Auf ihrem aktuellen Album Present blickt die Musikerin mit Unterstützung der italienischen Band Sacri Cuori und mit 14 Liedern zurück, vereint American, Folk, Punk der 90er und Einflüsse des klassischen Rock und Country.
Man nimmt ihr ihre Einstellung und die Lebenserfahrung in den Songs ungefragt ab. Mit leicht rauchiger und einnehmender Stimme versteht sie es ihre Geschichten mit Leichtigkeit zu teilen. Dabei bedient sie sich mal verträumter epischer Rhythmen wie im sanften, leicht flüsternden Opener Magic , mal Country angehauchten Bassrhythmen in More oder rohem Rock wie in Cinderella Boots. Und über allem hängt ein leichter Hauch von Woodstock. Ein Traum von Freiheit und Gesetzlosigkeit, welcher in Butch Cassidy eindringlich und mit wenig Instrumentierung in den Strophen passend in Szene gesetzt wird.
Akustische Version von Butch Cassidy
Und auch Solitary Wine verzichtet in den Strophen auf ablenkende Instrumentierung, unterstützt die Stimme lediglich mit Gitarre und bringt dafür ein harmonisch abgestimmtes instrumentales Mittelteil mit führender E-Gitarre. Ernüchterung und das einsame Schicksal eines Wanderers treffend umgesetzt.
Ebenso gelungen Old woman´s Song . Wer hier durch den Titel des Liedes einen tieftraurigen Rückblick erwartet wird mit rhythmischem Percussion und den Einsatz einer unerwarteten Tuba eines besseren belehrt. Und genau das ist es, was die Sängerin und das Album ausmachen: Die Kunst vielleicht auch nicht so schöne Erfahrungen musikalisch treffend zu erzählen und dabei ein gutes Gefühl zu vermitteln. Nebenbei ist es auch der einzige Song, der nicht aus der Feder der Musikerin, sondern von Tony Rose stammt.
Mit Present gelingt Ingrid Veerman ein außergewöhnliches Album für das man sich Zeit nehmen sollte. Es ist ein Einblick mit Weitblick, ohne Wehmut, dafür vollgepackt mit Geschichten von Unterwegs. Gespickt mit ehrlichen Texten und der Erkenntnis, dass immer das Hier und Jetzt des Lebens Würze ist. So heißt es dann auch im Inlay des Covers “Yesterday is history, tomorrow is a mystery, today is a gift, and that´s why it´s called the present.”
Weise Worte, aber dem Phänomen der Theorie und Praxis kann sich wohl auch Ingrid Veerman nicht entziehen, denn dem aufmerksamen Betrachter fällt auf, dass sowohl auf der Rückseite des Covers, als auch in dem beiliegendem Booklet lediglich 13 Songtexte bzw. Titel gelistet sind. Der letzte und mit einer Minute kürzeste, aber vielleicht wichtigste Song Il Capitano Del Traghetto Magico taucht nur in einer kleinen Randbemerkung auf und ist der Erinnerung an Ihren Vater gewidmet. So endet das Album wie es begonnen hat, ein wenig geheimnisvoll. Und ganz nebenbei pflanzt es uns elektronisch gehetztem Bürovolk einen Gedanken ein: Wie es sich wohl anfühlen würde, dieses kompromisslose Folgen seines Herzens, die Freiheit und die Entschleunigung mit all seinen Risiken.
Titelliste:
- Magic
- More
- Present
- Old woman´s Song
- Butch Cassidy
- Cinderella boots
- The Road
- Windowshoppingtime again
- Solitary wine
- Two puppies
- DT Blues
- Meantime
- Trainsong
- Il capitano del traghetto magico