Freunde gelebter Geschichte, insbesondere die des Mittelalters, Menschen mit einer Vorliebe für fantastische Kostüme, Kinder, Junge und jung gebliebene sowie zufällig mitgeschleppte oder neugierige Besucher – all diese Gruppen treffen sich über die ganze Saison beim größten reisenden Mittelalterfestival der Welt. Und viele von ihnen behaupten, Bückeburg gehöre zu einen der schönsten Festivalplätzen des Mittelalterlichen Phantasie Spectaculum. Wohl auch der Grund, warum es an zwei Wochenenden hintereinander stattfindet und viele der Lager und sogar ein Teil der Besucher ihre Zelte erst gar nicht abbauen, sondern gleich ihren Urlaub dort verbringen.
Verteilt auf den Waldwiesen des Schlossparks Bückeburg, u.a. direkt zu Füßen des größten privaten Mausoleums Deutschlands, erstreckt sich das Gelände auf über 12 Fußballfelder. Ohne Lageplan ist man als Erstbesucher aufgeschmissen. Und Lagepläne gibt es nicht. Eine wohlüberlegte Taktik des Veranstalters, denn so muss sich der Unwissende selbst auf Erkundungstour machen. Sehr praktisch, denn auf den Weg vorbei an verführerisch duftenden Garküchen, lockenden Marktständen und Tavernen trifft man auf stets gut gelaunte, freundliche und offene Menschen mit Gewandungen des Mittelalters und fantastischen Kostümen. Nette Gespräche gleich inbegriffen. Schergen in Büßerkäfigen spielen mit den Besuchern, die Folkband Ganaim feiert ihre Releasparty zum neuen Album direkt im und mit dem Publikum, Spielleute und Falkner mit ihren Raubvögeln sorgen neben riesigen Stroh- und Matschplätzen für leuchtende Kinderaugen ganz ohne Gameboy und Co.
Und zwischen all dem, auf dem Weg zu einer der vier Musikbühnen, jede Menge authentische Lager, in denen die alte Zeit heraufbeschworen und gelebt wird. Ganze Holzbetten mit Fell belegt, Nachtkommoden mit Kerzenständer und gar Bilder an der Zeltwand vervollständigen das äußere Bild mit offener Feuerstelle und Handwerk, in dem auch ein ganzes Spanferkel am Spieß seinen Platz findet. Liebe im Detail bis zur Perfektion und nur durch Seile mit Laternen für die nächtliche Beleuchtung getrennt.
Man muss schon seine Augen offenhalten, um unter all der Perfektion etwas Besonderes auszumachen. Frei nach dem Motto: Ganz Bückeburg ist von der Authentizität besetzt…ganz Bückeburg? Nein! Ein unbeugsames Lager leistet Widerstand und geht einen eigenen Weg.
Die ‚Getreue Schar‘ sticht mit ihrem unübersehbaren Turm, dem Tower of fame rein optisch schon von Weitem ins Auge. Hier ist es nicht penibel aufgeräumt, auf dem Tisch sieht es nach unkomplizierten Leben aus und zentraler Mittelpunkt des Lagers ist eine mit Blumen geschmückte Liegeschaukel, auf der laut Lagervater Jan auch schon mal acht Mitglieder gleichzeitig Platz gefunden haben. Gegenseitiger Respekt, Freundschaft und Toleranz sind die Grundpfeiler dieses Lagers, das durch seine offene Art nicht nur viele Musiker nach Konzertschluss herbeilockt, sondern vielschichtig jedem Menschen, egal welcher Herkunft und Vita, einen Platz in ihrer Gemeinschaft bietet. „Wir sind nicht identisch, sondern fantastisch. Utopie kann nicht in der Relativen existieren, aber in zehn Tagen und unter den passenden Umständen können reich, arm und unterschiedliche Intelligenzen zusammenleben“
Jeder der mag, ist in dem Lager herzlich willkommen, das bei meist 500 qm Fläche und ca. 20 -35 qm3 Gepäck in zwei bis vier Lastern verteilt, auch meist genügend Platz bietet. Sogar noch für einen Waschzuber, in den dann allerdings keine acht Personen gleichzeitig passen, auch wenn man es versucht.
Durch die gemeinsamen Vorlieben für das Genre der Mittelaltermusik und dem besonderen, freien Lagerleben, bleiben viele gleich beim ersten Mal an dem Lager hängen. Einmal infiziert, reisen gar Mitglieder aus Wien oder München an. Wer kein Geld für die Fahrkarte hat, wird nach Möglichkeit auch gerne mal großzügig unterstützt. Man steht eben füreinander ein und passt aufeinander auf. In Zeiten von Ellenbogengesellschaft und Ausgrenzung eine Oase der Menschlichkeit.
Apropos Menschlichkeit. Während überall gefeiert, getanzt und gelacht wird und eine gut organisierte Struktur, wie von Geisterhand im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf sorgt, sollten all die Helfer nicht vergessen werden, die unauffällig und freundlich ihre Arbeit machen. Öffentliche Security sieht man selten, braucht man wohl auch nicht. Denn das MPS lebt neben all der guten Musik, den Garküchen, Tavernen und Showdarbietungen von all den offenen Menschen in den Lagern, den Marktständen, den Teilnehmern vor, auf und hinter der Bühne.
Zum ersten Mal endeten die Nachtkonzerte und Feuershows gegen 23 Uhr und viele gute Gespräche und Gelage wurden kurzerhand an einer der zahlreichen Lagerfeuer weitergeführt.
Ein besonderes Flair der Gemeinschaft, an dass sich ein Erstbesucher, sollte er den Ausgang wiedergefunden haben, sicher noch lange erinnern wird. Allerdings wird ihn auch das zunehmende Medienverhalten auf solchen Festivals ebenso beschäftigen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Einen Blick auf die Vielfältigkeit und das Gefühl der Menschen, die ein gelungenes MPS ausmacht, findet ihr hier, das mimisches Interview mit dem Lager der getreuen Schar, hier.
Eingefangen von Heiner Breuer
Danke für diesen klasse Artikel!
Lieber Heiner, wir haben uns sehr über deinen Besuch bei der getreuen Schar und die vielen tollen Fotos gefreut!
Bist bei uns jederzeit willkommen!
Hey, danke…
Ich habe mich auch bei euch sehr wohl gefühlt…
Deshalb meinen aufrichtigen Dank, dass ich so nah dabei sein durfte. Ansonsten wären diese Fotos gar nicht möglich gewesen…
Und ich bin mir sicher, dass ich wiederkommen werde…