Jedem, der sich für das Genre der Liedermacher begeistern kann, ist sich auch der Vielschichtigkeit seiner Ausdrucksform bewusst. Musikalische und textliche Stilausprägungen in der Form des Geschichtenerzählers, lyrische Vertonungen von humoristischer bis ironisch oder gesellschaftlich bis politisch sind nur einige der Möglichkeiten.
Was aber passiert, wenn sich zwei musikalisch unterschiedliche Charakterköpfe zusammen setzen um ein gemeinsames Projekt zu realisieren?
Stefan Gliwitzki, Frontmann der Formation Tone Fish und Max Heckel Kopf der Band Nobody Knows haben genau das gewagt und dabei mit Gleismusik ein unterhaltsames wie anspruchsvolles Album in Form eines solistischen Projektes in Duo-Form erschaffen, bei dem sich die Liedermacher selbst treu bleiben und im steten Wechsel gegenseitig begleiten.
Gerade diese Treue zur eigenen Stilrichtung verschafft dem Hörer Zugang zu einer sehr viel vielschichtigen Liedermacherwelt als übliche Alben bereithalten. Ansprechend und sympathisch wirkt es, wie die beiden Musiker völlig uneitel im Alltäglichen kramen, sich selbst auf die Schippe nehmen, um dann wieder menschlich ernst zur Sache zu kommen.
Was ein Poet wie Max Heckel aus den profansten Dingen herausholen kann, zeigt sich bei dem pittoresken Kleinstädtischer Sommer mit seinem festgefahrenen dörflichen Denken. Seicht verpackt und melodisch eingängig, offenbart sich die dahinter verborgene, pervertierte Moral monetärer Zielrichtung erst am Ende mit dem Hinweis auf das Warten um den Besuch der alten Dame. Dürrenmatts tragische Komödie als Inspiration tiefer gehender Themen, die sich in ihrer Umsetzung sowohl als leichten Song für nebenbei, als auch als nachdenkenswert genießen lassen.
In Liedern wie Gleis 4 oder Rendezvous am Bahnsteig teilt er seinem Publikum all das mit, was ihn in jüngster Zeit bewegt und erheitert hat und spielt dabei mit der Vorstellungskraft seiner Hörer. In Lieber im Bett geblieben, werden auf amüsante Art und Weise, mit leichten Rap-Anteilen, kleine und große Krisensituationen in herrlicher Selbstironie heraufbeschwört. Jeder kennt diese Situation bei dem Versuch schlafen zu wollen, ständig gestört zu werden.
Der üblicherweise mit ordentlich Dampf und einer Mischung aus Liedern unterschiedlicher Genres im irischen Folkgewand auf der Bühne stehende Stefan Gliwitzki schlägt im Gegenzug dazu eher sanftere Töne an und beweist dabei ein Talent für wohldosiertes Gefühle. In dem textlich ausdrucksstarken Lied Weltenwanderer schafft er neben dem Blick auf Vergangenes und verpasste Chancen auch Platz zwischen den Zeilen und lässt den Hörer lediglich ahnen, dass es hierbei um viel mehr geht, als um den Blick zurück. Ebenso in Farbwiedergabe. Persönliche Texte als emotionale Hommage an einen seiner Söhne.
Somit bietet Gleismusik eine breitgefächerte Auswahl unterschiedlicher Ausdrucksformen, in dem die Musiker sich nicht nur gegenseitig begleiten, sondern in Willkommenskultur auch die Strophen teilen. Ein anspruchsvoller, witzig- ironischer Text mit frecher musikalischer Unterstreichung, die dem Thema die Schärfe nimmt.
Fazit: Jeder, der deutschsprachige Texte und verbale Abwechslung mit Sprachwitz, Intelligenz und Tiefe mag, sollte seine Sammlung mit diesem Album bereichern. Wer noch Wert auf raffinierte musikalische Leichtigkeit mit Gitarre, Violine und Mandoline legt, wird zusätzlich das eine oder andere Lied schwer aus seinem Ohr bekommen.
Bestellt/gekauft werden kann das Album seit dem 16.06.17 unter:
Titelliste:
- Rendezvous am Bahnsteig
- Weltenwanderer
- Lieber im Bett geblieben
- Willkommenskultur
- Weiße Rosen
- Mainstream oder genial
- Kleinstädtischer Sommer
- Farbwiedergabe
- Gleis 4
- Komm, gib mir deine Hand