Wie es die zwischenmenschlichen Verästelungen ergeben, haben nicht nur die COBBLESTONES unlängst eine Live-CD veröffentlicht, nun ziehen auch FOLK’S SAKE nach – mit einem Silberling, der beim gleichen Auftritt aufgenommen wurde. Als Opener eines Abends bzw. Vorband des eigentlichen Acts obliegt es dem Betroffenen, die Stimmung auf ein herrliches Niveau zu bringen, um im Stadium allgemeiner Begeisterung dann der Haupt-Band die Bretter der Welt zu überlassen, die dann nachhaltig nutznießen darf. Eine wenig erfrischende Aufgabe. Ein eher seltenes Phänomen ist es, wenn das Publikum schon beim Auftakt des Abends alle tanz- und sangestechnischen Schüchternheiten ablegt, und damit den Auftakt zur eigentlichen Kür erhebt. Und so klingt es auf dem neuen Album von FOLK’S SAKE.
Schaut man sich die Set- und Titelliste von Auftritt und Album an, so erhebt sich der Geist der 68er um den Muff unter den Folk-Talaren auszutreiben, denn auf ihr finden sich die üblichen Verdächtigen des sogenannten Irish-Folk: Whiskey in the Yar, Wild Rover und Tell Me Ma. Nach gefühlten hundertausend Vorgängerversionen, die insbesondere der Unkultur der Abwechslungslosigkeit huldigen und das Ganze als Beständigkeit und Tradition ausweisen, ist Zeit mit dem Irrglauben aufzuräumen, dass Langeweile und Engstirnigkeit zum Irish-Folk-Genre passt wie der Kleinwagen zum großphallischen Anti-Angeber.
Und so gelingt dem Berliner Quintett mit ihrer Live-CD der Brückenschlag zwischen Bewährtem und Neuem. In üblicher Manier erklingen wohlfeile Unisono-Parts, indes die klangliche Macht der Terzen ebenso zur Entfaltung kommt. Erfrischend ist zudem der Wechsel zwischen Damen- und Herrengesang, gleichwohl letzterer die musikalische Szenerie dominiert. Authentisch offenbart sich außerdem die Moderation des Frontmanns Friedrich Sauers, kurz Fritze, die ebenso spontan wie uninszeniert auf den Plan tritt. Mit Selfish Man huldigen FOLK’S SAKE der Tradition Flogging Mollis, dies jedoch ohne das leidige nach-Ähhhhen im Live-Gesang. Das Cajon-Set, das das obligatorische Schlagzeug und dessen Offbeat-Gehacke ersetzt, kleidet den Gesamtduktus zudem äußerst angenehm.
If I Ever Leave jagt mir bei jedem Hören ergriffene Schauer über den Rücken. Der sparsam-melancholische Terzgesang, ohne affektierte Attitüde, wird durch die Doppelnoten und Lagenspiel der ersten und zweiten Fiddle durch die Strophen getragen. Eine Hymne ohne Klischee, indes das Publikum sich zu Begeisterungsstürmen im Hintergrund hinreißen lässt. Bei der Zugabe, Whiskey in the Yar, wird das Quintett durch die befreundeten Cobblestones unterstützt. Der Background-Gesang der Damen, der allen Circen Ehre machen würde, umrahmt den Gassenhauer derart, dass man beinahe den üblichen Interpretationsendloskaugummi der sogenannten Irish-Folk-Puristen vergisst.
FOLK’S SAKE haben erst einen Silberling vor diesem grandiosen Live-Album abgeliefert, der sich Welten von diesem Neuling unterscheidet. Das, was die zwei Damen und drei Herren hier präsentieren, zeugt eindrucksvoll von der Kunst Altes in neuer Gewandung zu präsentieren. Versuchte sich das Quintett nun noch an eigenen Stücken (oder denen anderer Genre), so markierten sie unweigerlich einen neuen Impuls für ein viel zu borniertes Genre. FOLK’S SAKE, bitte, bitte, bitte – mit Sahnehäubchen obendrauf – unbedingt bald mehr davon!
Titelliste
- Kerry Tunes
- Hills of Connemara
- Johnny I Hardly Knew Ye
- Wraggle Taggle Gypsie
- If I Ever Leave
- Tell Me Ma
- Molly Malone
- Gravel Walks
- Star of the County Down
- Selfish Man
- Foggy Dew
- Wild Rover
- Black Friday Rule
- Kilburn High Road
- Oak Tree
- Whiskey in the Yar