Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ebenso wenig wie wohl über die eigenen Lieblingslieder. Trotzdem bedarf es schon einer etwas größeren Portion Selbstbewusstsein seine ganz eigene Vorstellung von eben diesen Lieblingsliedern auf einem Album der Öffentlichkeit zu präsentieren. Oder man ist musikalisch talentiert. Beide Prädikate vereint die Bochumer Familienband Die Feuersteins. So haben Guntmar, Carla und Emily Feuerstein mit Thomas Hecking gemeinsame Sache gemacht, altbekanntes Liedgut gesammelt und mit vier eigenen Songs in einen Topf geworfen. Dabei haben alle darauf verzichtet, die Songs künstlich aufzumöbeln.
Mit Mandoline, Gitarre, Akkordeon, Wurlitzer E-Piano und ein paar anderen akustischen Instrumenten bietet das Album Lieblingslieder elf Songs im Folkgewand der Hausmusik mit Country-, Americana-, Pop- und Liedermacherelementen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Traditionelles trifft selbst geschriebenes, altes Liedgut steht neben modernem. Anfängliche Verwirrung vorprogrammiert. Aber eben nur anfangs.
Der Opener Shady Grow aus dem 18. Jahrhundert führt zunächst munter mit Akkordeon, Gitarre und Bodhrán nach Amerika um dann, quantenphysikalisch gleich, mit, dem jedem Kind aus der Schule bekannten, Königskinder im frühen Stadium des 19. Jahrhunderts in Deutschland einen Zwischenstopp einzulegen. Noch ein wenig traumatisiert von schulischen Erinnerungen macht sich jedoch bereits ein verlegenes Lächeln breit, weiß man doch nun, dass die Königskinder eigentlich gar nicht so schlecht sind. Es kommt eben darauf an, wer sie singt.
Es bleibt nicht viel Zeit zum Grübeln. Die beiden folgenden eigenen Songs Es ist Sommer und Kennen wir uns schon katapultieren einen mitten in der Moderne des 21. Jahrhunderts. Flott, frech und mit ironischem Augenzwinkern in Es ist Sommer – nachdenklich in Kennen wir uns schon. Ein Vater, der seit Jahrzehnten auf den Bühnen Europas Folk und Akustikmusik spielt, hat hier ganz offensichtlich seine Hingabe und Talent weiter gegeben, denn die beiden Töchter überzeugen mit einer gesanglichen Leistung, die sich hinter dem aktuellen deutschen Mainstream der Neuzeit nicht zu verstecken braucht.
Er selbst singt ebenfalls in dem banjostarken Oh Susanna und in Viel mehr geht nicht. Letzteres erinnert ein wenig an Rainhard May. Nichtsdestotrotz beweist Guntmar erneut damit sein Talent als Singer/Songwriter .
Nach einem weiteren kurzweiligen Genre-Hipp-hopp über traditionelle Jigs und dem tieftraurigen Grubenlied Mein Vater war Bergmann endet das Album mit dem einzigen Instrumentaltitel Dad gad und hinterlässt ein wundersames Gefühl von Respekt und Verwirrung. Zwei alte und zwei junge Hasen – der Unterschied der Generationen wurde in Lieblingsliedern zum musikalischen Dialog von fast vergessenen deutschen Volksliedern, Folk- und Popsongs von gestern und heute. Wer offen ist für das nicht alltägliche wird hier mit hoher musikalischer Qualität und mit viel Spielfreude eingespielter Songs belohnt, die nicht nur schulische Kindheitserinnerung wachwerden lassen, sondern am Ende auch Spaß machen. Und wie gesagt: Über Geschmack lässt sich einfach nicht streiten.
Titelliste:
- Shady Grove
- Königskinder
- Es ist Sommer
- Kennen wir uns schon
- In the Highways
- Oh Susanna
- Mein Vater war Bergmann
- Viel mehr geht nicht
- Hard Times
- Abendlied
- Dad gad