Nachdem im vergangenen Jahr über Halloween berichtet wurde, soll in diesem Jahr ein weiterer sogenannter „Heischebrauch“ folgen – der Bettelabend. Ein Heischebrauch ist ein Brauch, bei dem es um das Fordern oder Erbitten von Gaben geht. Wohingegen bei Halloween mit den Worten „Süßes oder Saures“ Gaben ja eingefordert werden, ersingt man sich diese beim Bettelabend.
Der Bettelabend oder das Martinssingen ist ein Brauch, der in der Altmark und in manch anderen Gegenden Deutschlands zu den Feierlichkeiten des Martinstags am 11. November gehört. Am Vorabend des Martinstages sammeln sich Kinder und Jugendliche in kleinen Grüppchen mit Beuteln, Taschenlampen und Laternen bewaffnet zum Bettelsingen. Sie ziehen dann von Haus zu Haus klingeln und singen hier in der Gegend das Lied:
Ich bin ein armer König
gib mir nicht zu wenig,
lass mich nicht zu lange stehen,
denn ich muss noch weitergehen
bis zu Nachbarstüre,
da gibt es Äpfel und Birnen,
Äpfel und Birnen schmecken gut,
die steck ich mir in den Zuckerhut.
Wird die Tür dann von freundlichen Menschen geöffnet, werden die Beutel vorgestreckt und die Kinder erhalten nach Beendigung des Liedes Naschkram aller Sorten, hin und wieder eine Münze – sehr beliebt, ab und zu einen grünen Apfel aus eigener Ernte – nicht so begehrt.
Jungen am Anfang der Pubertät müssen das Lied meist nicht zu Ende singen, sie bekommen die Süßigkeiten schneller. Kleinen, süßen Fratzen mit Niedlichkeitsfaktor hört man gern bis zum Ende zu.
Da jedoch die Süßigkeitenausbeute grundsätzlich mit zunehmendem Alter abnimmt, ist der Bettelabend auch eine gute Gelegenheit, mal wieder etwas mit den jüngeren Geschwistern zu unternehmen. Richtig versierte große Brüder und Schwestern statten die Kleinen mit einer Laterne aus und schieben sie dann wohlwollend vor sich her. Als begleitendes Geschwister bekommen sie meist Extra-Boni für die Brauchtumspflege.
Sind keine älteren Geschwister vorhanden, müssen die Eltern, vorzugsweise die Muttis, mit ihren Gören durch den oft verregneten Martinsabend stapfen. Obwohl sie sich in der Regel im Hintergrund halten, fällt auch für sie hin und wieder ein Prosecco oder ein kleiner Feigling, nur zur Erhaltung des Brauchtums, ab.
Insbesondere bei schlechtem Wetter ist das Bettelsingen in Wohnblöcken der Städte eine feine Sache, hat jemand erstmal die Tür zum Aufgang geöffnet, lässt es sich trockenen Fußes zum Singen von Wohnungstür zu Wohnungstür ziehen. Grundsätzlich erhöht aber das Betteln in der unmittelbaren Nachbarschaft die Ausbeute.
Bevor die Halloweenwelle aus den Staaten zu uns herüberschwappte, war man gut beraten sich rechtzeitig zum 10.11. in den großen Discountern mit preiswertem Naschkram einzudecken. Hatte man dies vergessen, waren am späten Nachtmittag nur noch die hochpreisigen Süßwaren vorhanden. Noch schlimmer war es, wenn man den Bettelabend komplett vergaß. Insbesondere auf den Dörfern mit gut funktionierenden Nachbarschaften, war dies richtig peinlich, da half nur noch „Licht aus“ und Abwesenheit vortäuschen. In der Regel passierte einem das nur ein Mal.
Da inzwischen viele Kinder sozusagen „halloweenisiert“ sind, ist die Tendenz beim Bettelabend allerdings eher rückläufig. Kostüme mit Gruseleffekt und ein Hang zur Erpressung sind doch attraktiver als dröges Bettelsingen und so marodieren Kürbisse, Geister und Skelette am 31.10. durch die Innenstädte.
Im vergangenen Jahr hatte ich sicherheitshalber schon Süßigkeiten für Halloween vorrätig, man geht ja mit der Zeit, doch bis in mein Dorf ist dieser Brauch noch nicht vorgedrungen und so konnte ich den Naschkram am 10.11. wie gewohnt an die „Bettelkinder“ verteilen.
Schöner Artikel, gefällt mir!
Danke 🙂
Das schöne am Artikel ist, dass du ihn frei Schnauze geschrieben hast. Bitte davon mehr! 🙂
😉
Bei mir waren sie weder an Halloween noch bisher heute da.
Nur Zahnpasta hatten wir an den Briefkästen zu Halloween kleben :/
Da lob ich mir doch das Singen.
Schöner Artikel auf jeden Fall.
😉
Tut mir leid aber ich komme aus der altmark… Und ich finde wir sind selbst schuld das unsere Bräuche aus sterben…
Der Bettelabend ist ein schöner Brauch den man nicht aufgeben darf. Ich bin auch im Kindesalter betteln gegangen und mit mir alle Kinder.